Kultur: Altbewährtes
Andrea Meissners neues Programm im Obelisk
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Allein am Eierlikör kann es nicht gelegen haben, dass die Stimmung am Freitagabend im fast ausverkauften Kabarett Obelisk überkochte. Denn noch bevor Andrea Meissner zum Auftakt ihres neuen Programms „Kann denn Schwachsinn Sünde sein“ sich einen Bierhumpen mit diesem süßen klebrigen Zeug voll goss und gleich mehrere Flaschen davon ans Publikum austeilte, herrschte bereits Partystimmung im Saal. Von Schönsaufen konnte also keine Rede sein. Vielmehr von einer unvergleichlichen Bühnenpräsens, mit der diese Kabarettistin ihre Gäste im Nu in den Bann zog.
In ihrem knalligen schwarzgelben Kostüm und mit einer rothaarigen, Plüschtier ähnlichen Perücke auf dem Kopf schlüpfte die Meissner zunächst in die Rolle einer Wahrsagerin. Wozu sie vielleicht durch den Esoteriktick ihres fiktiven Ehemanns Rudi gekommen war. Wie in all ihren bisherigen Programmen, in denen Frau Meissner ihre Gesellschaftssatire stets in die Hülle der Kleinfamilie wickelte, musste Rudi auch an diesem Abend wieder ausgiebig herhalten für sämtliche Spottattacken auf männliche Marotten und unschöne Alterserscheinungen. Und ließ sie Rudi einmal in Ruhe, trieb sie ihre Scherze mit den Gästen in der ersten Reihe – auch dies längst ein Markenzeichen von ihr. Wobei sie auch sehr schön zu improvisieren verstand, als ein Herr, dessen Gedanken sie durch Handauflegen zu lesen versuchte, sich ihr als Kasimir verkaufen wollte und auf die umgackerte Aufforderung hin, seinen Sack zu öffnen, plötzlich eine Schrippe hochhielt.
Am meisten jedoch entzückte Andrea Meissner ihr Publikum einmal mehr mit ihren Gesangseinlagen. Stets wurde mitgeklatscht, mitgesungen und geschunkelt, wenn sie mit ihrer bisweilen raumfüllenden Stimme einen Schlager nach dem anderen verballhornte, wie etwa Jürgen Drews’ Hit „Ein Bett im Kornfeld“, den sie kurzerhand zu einem Liedchen über die Leibesfülle umdichtete.
Dazwischen machte sich die ausgewiesene Schnellsprecherin allerlei Gedanken über den Zeitgeist. So wunderte sie sich, dass heute niemand mehr von Sünde, sondern nur noch von Fehltritt spreche, beklagte, dass sich die Rentner hartnäckig weigerten, abzutreten und sogar alt auszusehen, und überlegte, ob es nicht besser sei, das Geld für den Zahnersatz für einen Pürierstab auszugeben. Beinahe selbstverständlich, dass die Meissner auch an diesem Abend wieder als Tratschtante auftrat, eine ihrer Paraderollen. Hier lief sie erst richtig zur Höchstform auf, zum Beispiel, als sie sich über die Schönheits-OP ihrer Freundin Ortrud ereiferte, eine durchaus kunstsinnige Zote über kurze Sushis und lange Nudeln zum Besten gab oder erklärte, was es mit dem dümmsten Bauer und seinen dicksten Kartoffeln auf sich hat. Fast unvermeidlich, dass bei dieser Flut von Witzen nicht jeder zündete. Was Frau Meissner dann jedoch auch auf eine sehr sympathische, selbstironische Weise zu lösen verstand. So brach sie etwa ein Lied über Steuererhöhungen einfach ab und gab vor, davon schlechte Laune zu bekommen oder holte, nachdem ihr Seifenblasen-„Special-Effect“ nicht so recht funktionieren wollte, einfach einen Herrn aus dem Publikum auf die Bühne, damit der es besser machte als sie.
Knapp zwei Stunden unterhielt Andrea Meissner ihr Publikum vorzüglich. Auch wenn sie im neuen Programm größtenteils auf Altbewährtes setzt, so war es doch großartig und mit einer Art, die man einfach mögen muss. Daniel Flügel
Am 28.1. (19.30 Uhr) im Kabarett Obelisk und am 1.2. (20 Uhr) im Theaterschiff
Daniel Flügel
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