Kultur: Alte Bekannte, seit 13 oder14 Jahren schon
Beruhigende Rituale: Keimzeit und sein Publikum im Lindenpark
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Beruhigende Rituale: Keimzeit und sein Publikum im Lindenpark In der Nähe der Bühne stand ein Mann, Mitte 30, und fragte seinen Freund, wie lange sie denn eigentlich schon zu diesen Konzerten gehen. Der andere antwortete, dass es schon 13 oder 14 Jahre sein müssten. Beide lachten und drehten sich wieder zur Bühne, um ein Lied zu hören, das sie schon lange zu kennen scheinen und bei dem sie laut mitsangen: „Bunte Scherben“, von 1993. Freitag kamen Keimzeit mal wieder in den vollen Lindenpark, wo die sechs Musiker die Bühne betraten und begannen ohne viele Worte und Pomp ihr Programm, das sowohl modern wie auch erinnerungslastig werden sollte. Keimzeit gründeten sich 1980 unter dem Namen „Jogger“ als Familienquartett mit Norbert, Roland, Hartmut und Marion Leisegang. Zwei Jahre später wurde aus dem Quartett die Gruppe Keimzeit, die 1990 ihr erstes Album „Irrenhaus“ herausbringt. Zwar haben Keimzeit mit den Jahren immer mal wieder musikalisches Neuland betreten, doch sind Norbert Leisegangs wundervolle Texte, eine einzigartige Mischung aus märchenhafter Realität und poetischer Kritik, die alten geblieben. So wie es auch ihre Konzerte geblieben sind. Sänger Norbert sprang wie eh und je mit ansteckender Begeisterung über die Bühne und Saxophonist Ralf stand wie so häufig in einer Art würdevoller Schüchternheit möglichst weit hinten. Mit ihrer lockeren, publikumsnahen Art zeigten sie nach wie vor, dass sie normale Menschen sind, die einfach nur Musik machen. Das Publikum dankte es ihnen; manchmal auch auf seltsame Art. Da konnte man Pärchen beobachten, die Wiener Würstchen essend Arm in Arm alten Hits wie „Natalie“ lauschten. Es war die Nostalgie der bekannten Lieder in Verbindung mit der musikalischen Leistung der Bandmitglieder, die den Abend am Ende doch sehr rund und erfüllt wirken ließ. Denn was unter anderem Bassist Hartmut Leisegang und Saxophonist Ralf Bendschuh an Soli lieferten, beeindruckte die Fans dermaßen, dass ihnen selbst zwei Zugaben noch zu wenig waren. Auch wenn sich das Publikum immer noch nicht so recht mit den neuen Songs von Keimzeit anfreunden konnte, so war doch die Freude auf beiden Seiten groß, als Band und die Fans im Lindenpark gemeinsam „Kling Klang“ sangen, wie man es wohl seit 1993 schon macht. Ein schönes und beruhigendes Ritual, das entsteht, wenn sich alte Bekannte regelmäßig seit 13 oder 14 Jahren treffen. Philipp Rothmann
Philipp Rothmann
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