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Kultur: Am Abgrund der Liebe

Am Ende sitzen alle dumm da: Der getanzte Sommernachtstraum bei den Hofkonzerten

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Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Am Anfang zwei verliebte Paare, Vogelzwitschern. Im neckischen Spiel drehen sie sich um sich selbst, werden eins, dann wieder zwei, um wieder zusammenzufinden. Wie von einer unsichtbaren Kraft angezogen. Am Ende ist Chaos, Verwirrtheit, die Liebe verschwunden. Hermia, Helena, Demetrius und Lysander setzen sich auf den Bühnenrand, lächeln ins Publikum, als säßen sie einem Spiegel gegenüber.

Die Choreographin Dominque Efstratiou hat den Sommernachtstraum aus Shakespeares Zeiten ins heute geholt. In der zwölften Tanzproduktion der Potsdamer Hofkonzerte präsentiert sie am Freitagabend im Schlosstheater in einer Uraufführung eine tänzerisch sehr eigene, ästhetisch wie musikalisch interessante Interpretation der wirren Liebesgeschichte. Das außergewöhnliche an ihrer Inszenierung: Sie verpasst dem beliebten Liebesdrama eine äußerliche Nüchternheit, bringt kitschig schöne Liebesspiele mit kargem Hintergrund zusammen. Ein Konzept, das dem so oft gespielten Stück eine neue Spannung verleiht und in der Kulisse des verschnörkelten Theaters doppelt wirkt – das nur nicht bis zum Letzten durchgehalten wird. Die Geschichte ist reduziert, ein Haufen von Figuren, die den Sommernachtstraum gewöhnlich noch verworrener und undurchdringlicher machen, sind weggefallen, kein Elfenkönig Oberon, keine Handwerker, kein Theseus und keine Hippolytia. Nur Drei Paare treten auf. In der Ouvertüre sind das der weibliche und männliche Puck, Hermia und Lysander, Helena und Demetrius. Doch mit der einträchtigen Paarwelt ist bald Schluss. Da ist die Choreographin eng am Stück geblieben.

Faszinierend ästhetische Bilder lassen die Tänzer auf der Bühne entstehen. Das Zusammengehen der Liebenden, wie sie ihre Körper umeinander winden, wie sie sich springend um sich selbst drehen, spielerisch, fast clownesk. Wie sie in Taumel geraten, der sie später zu Fall bringen wird. Ganz plötzlich stößt man den anderen weg, flieht vor seiner Berührung.

Das Bühnenbild ist karg, nur Stoffbahnen hängen von der Decke, die in wechselnden Farben leuchten. Die Kostüme der Paare sind schlicht. Alle Aufmerksamkeit richtet sich auf den Tanz. Die Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy ist mit Partien von Antonin Dvorák, Edward Elgar und Claude Chassevent aufgepeppt. Melodische mischt sich mit Disharmonischem. Harte Rhythmen folgen auf weiche. Man hört Vogelgezwitscher, dann Straßengeräusche. Ein akustisch interessantes Spiel, das die Sachlichkeit des Stücks unterstreicht. Warum da nicht noch einen Schritt weiter gehen, das Stück nicht nur in eine akustisch neue, sondern auch in eine neue visuelle Welt schicken, die nicht nur leer, sondern auch modern ist. Wenn schon die Anspielung im Programmheft auf die geringe Haltbarkeitsdauer von Beziehungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, warum dann so zaghaft? Damit würde der Sommernachtstraum ganz im Heute ankommen – so bleibt das Stück doch nach wie vor zeitlos, so wie die unzähligen anderen Inszenierungen des Dramas auch. M. Hartig

M. Hartig

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