Kultur: Am Abgrund: „die alarmbereiten“ Kathrin Röggla liest heute in der „fabrik“
Ob Klimawandel, Wirtschaftskrise oder Amoklauf – Gefahren und Katastrophen bestimmen beinahe täglich unsere Nachrichten. Die Welt scheint am Abgrund zu taumeln.
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Ob Klimawandel, Wirtschaftskrise oder Amoklauf – Gefahren und Katastrophen bestimmen beinahe täglich unsere Nachrichten. Die Welt scheint am Abgrund zu taumeln. Doch wem dient die permanente Verbreitung von Katastrophen- und Untergangsszenarien eigentlich? Und wie gehen wir damit um?
Die in Salzburg geborene, seit 1996 in Berlin lebende Autorin Kathrin Röggla zeigt in ihrem 2010 erschienenen Buch „die alarmbereiten“, aus dem sie heute in der „fabrik liest, nicht nur auf, wie mediale Dauermanipulation und Kommerzialisierung in Sachen Krise und Katastrophe funktioniert. Sie zeigt auch, was sie mit uns machen und wie die Rollen in den Schreckensszenarien verteilt sind – an Berichterstatter, Experten, Schaulustige und eine sensationsgierige Öffentlichkeit.
In sieben Prosatexten, die alle in der Form eines Monologs geschrieben sind, lässt Kathrin Röggla ihre Leser aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Mechanismen der allgegenwärtig vermittelten Krisen- , Katastrophen- und Gefahrenszenarien blicken: In „die zuseher“ etwa beobachtet eine Gruppe der Agentur „desastertourismus“ eine Katastrophe, bis die einzelnen Mitglieder nach und nach selbst in dieser verschwinden. Eine Frau outet sich in einem nächtlichen Telefonat in „die ansprechbare“ als „Kassandra-Sekretärin“ und hysterisches Opfer willig eingesogener Paranoia. Oder eine Elternsprecherin bezichtigt in „die erwachsene“ eine Mutter, ihre Tochter falsch zu erziehen – ohne genau zu formulieren, was die Tochter anstellt, fordert sie deren Trennung von der Mutter.
Die Protagonisten in sind keine facettenreich gezeichneten Charaktere. Es sind vielmehr namenlose Figurenhülsen, die, ausschließlich im Konjunktiv redend, als Typen erkennbar werden: Typen, die einen Aspekt gesellschaftlicher Entwicklung vor Augen führen.
Kathrin Röggla ist eine vielseitige Autorin. Nicht nur Bücher, Theatertexte und Essays stammen aus ihrer Feder. Sie verfasst und produziert auch Hörspiele und akustische Installationen für das Radio und ist früher in Performances und Videoperformances aufgetreten. Lang ist die Liste ihrer veröffentlichten Texte und Radioarbeiten und lang ist auch die Liste ihrer Auszeichnungen und Stipendien, darunter 2005 der „Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch“ und der „Solothurner Literaturpreis“ für „wir schlafen nicht“ (2004), einen Roman über die „business“- Welt von Unternehmensberatern und IT- Managern.
Für ihre Texte wählt die Schriftstellerin durchgängig die Kleinschreibung. Das betone den Materialcharakter, die Kunstsprache, äußerte sie in einem früheren Interview. In „die alarmbereiten“ verdichtet sie Floskeln und Versatzstücke aus Alltagssprache und medialen Sprachschöpfungen. So entsteht Verfremdung, die entlarvend wirkt: Sie lässt unter die Oberfläche einer stets alarmbereiten Gesellschaft blicken. Gabriele Zellmann
In der Reihe „Literarischer Salon“ von primaDonna des Frauenzentrum liest Kathrin Röggla heute um 19 Uhr in der fabrik.
Gabriele Zellmann
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