Kultur: Am Puls der Musik
Schlosskonzert der Kammerakademie mit Händel
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Die Freude am Musizieren und Singen steht allen Beteiligten im Gesicht geschrieben. Kein Wunder also, dass sich die Herzen des Publikums dem Gebotenen weit öffnen. Das besteht aus Arien und Concerti von Georg Friedrich Händel und Wolfgang Amadeus Mozart, die als reizvolle Mischung im Rahmen eines Schlosskonzerts der Kammerakademie Potsdam im Neuen Palais dargeboten wird. Die Leitung obliegt Ko-Chefdirigent Andrea Marcon, dem Spezialisten für frühe italienische Musik. Dass er auch der richtige Mann fürs Barocke ist, beweist sich dabei aufs Nachdrücklichste. Seine Vorliebe für flotte Tempi ist hier nicht fehl am Platze, sondern bringt in die affektgeladene Musik eine spannungsreiche Lebendigkeit, die Altes auf denkbar natürlichste Weise wie Neu erscheinen lässt. Und auch seine accompagnierende Arbeit vollzieht sich, stehend am podesterhöht aufgestellten Cembalo, mit Geschmack und Gespür für den Puls der Musik.
So kommt beispielsweise ein Allegro aus dem Concerto grosso G-Dur op. 6 Nr. 1 oder a-Moll op. 6 Nr. 4 aus unbotmäßiger Antreiberei keinesfalls aus dem Tritt, sondern kann flink, ryhthmuslocker und stolperfrei immer mal wieder einen „Zwischenspurt“ hinlegen. Solche lebendig und ausdrucksstark gespielten Sätze stehen zu den langsamen in spannungsförderndem Kontrast. Das klangvolle Solospiel der Violinen (Peter Rainer, Christiane Plath) und des Violoncellos (Jan-Peter Kuschel) gegenüber dem Tutti wird im Adagio besonders ohrenfällig. Gebannt hört man sinnenfrohem Musizieren zu, erfreut sich an reichlich Seufzermelodik. Vortragsbezeichnungen wie „affettuoso“, „giusto“ oder „largo e piano“ (letzteres nicht immer erfolgreich) werden für bare Münze genommen, auch scheut der Dirigent sich nicht, eine Grave-Einleitung wirklich gewichtig zu nehmen. Kurzum: nirgends wirkt die Musik vergewaltigt, sodass Händel beruhigt und wohlwollend aus dem Musikerhimmel zuhören kann. Auch den stimmungsdichten Darbietungen seiner orchestralen wie vokalen Ausschnitte aus den Opern „Giulio Cesare in Egitto“ und „Rinaldo“.
Straff und federnd wird die Ouvertüre, antreibend die Schlachtenmusik des „Julius Caesar“ musiziert. Den Liebeshymnus des Feldherrn an Cleopatra „Non è si vago“ (Die Blume auf der Wiese) stimmt Altus Yosemeh Adjei mit warm getönter, ausgeglichener und ebenmäßig strömender Stimme an. Das ehemalige Mitglied des Windsbacher Knabenchores und musikhochschulstudierter Trompeter (bei Reinhold Friedrich in Karlsruhe) verfügt darüber hinaus über eine staunenswerte Tiefe und strahlkräftige Höhe, die er in Mozarts Konzertarie „Ombra felice“ KV 255 (Glücklicher Schatten) lustvoll vorführt. Aus dessen Oper „Mitridate, Re di Ponto“ singt er Rezitativ und Arie „Son reo“ (Ich bin schuldig) pendelnd zwischen Innigkeit und wutschnaubender Rache. Sicher bewältigt er dabei weite Intervallsprünge und lyrische Legatolinien. Und auch in Händels Arie „Cor ingrato“ (Undankbares Herz) aus „Rinaldo“ erweist er sich weniger als ein purer Schönsinger, sondern als ein leidenschaftlicher, die Dramatik der Seelenempfindungen intensiv ausforschender Gestalter. Und das nicht nur in jenem effektvoll vorgeführten Rachefurioso, sondern vor allem im schlichten Verzweiflungsgesang „Lascia ch“io pianga“ aus „Rinaldo“, als Zugabe den ergriffen Lauschenden dargereicht.
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