Kultur: Am Regen allein lag es nicht
Das verkürzte Abschlusskonzert zum Unesco-Welterbe mit dem Babelsberger Filmorchester
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Nach 50 Minuten war Schluss, und Peer Gynt blieb ausgerechnet in dem Moment in der Wüste zurück, als er wieder Opfer seiner grenzenlosen Naivität werden sollte. Höhere Mächte in Form von feinstem Nieselregen erzwangen am Sonntag Abend in der Schwanenallee den Abbruch des Abschlusskonzertes zum Unesco-Welterbetag. Derartigen widrigen Umständen wollten die beengt sitzenden Musiker des Babelsberger Filmorchesters ihre hochwertigen Instrumente nicht aussetzen. Und so blieb Hans-Jochen Röhrig, Schauspieler am Hans Otto Theater, nur noch in zwei kurzen Sätzen zu versichern, dass Peer Gynt am Ende der Geschichte seine Liebste Solvejg finden werde. Ein kurzer Blick noch auf die illuminierte Glienicker Brücke, dann wurde schnell der Heimweg angetreten. Denn ganz so traurig über das vorzeitige Ende war man nicht.
Mit Stücken aus den Peer-Gynt-Suiten von Edvard Grieg, verbunden mit einer Lesung des Gynt-Märchens, sollte der 2. Unesco-Welterbetag in Potsdam zwischen Glienicker Brücke und dem Neuen Garten seinen feierlichen Abschluss finden. Musik des Norwegers Grieg, weil in das Festgelände nebst Festprogramm auch die norwegische Matrosenstation Kongsnæs eingebettet war. Doch klassische Konzerte unter freiem Himmel bergen immer ein erhebliches Risiko. Und so war schon mit skeptischen Blick zum wolkenverhangenen Himmel der Beginn des Konzertes um knapp eine halbe Stunde verschoben worden.
Die Konzert-Overtüre „Die Hebriden“ von Felix Mendelssohn Bartholdy nutzte das Filmorchester Babelsberg unter Kerstin Behnke zur Einstimmung auf Grieg. Und schnell wurde ein weiteres Problem klassischer Konzerte unter freiem Himmel offenbar: Der Klang. Ein Teil der Besucher hatte sich stehend um die kleine Bühne gedrängt, um nicht auf die elektrische Verstärkung angewiesen zu sein. Ein Großteil hatte mit etwas Abstand zum Geschehen auf der Wiese Platz genommen, wollte die Musik mit Blick auf das Wasser genießen. Doch Genuss ist etwas anderes.
Mal kam es dünn von der Bühne, dann schepperte es kräftig aus den Boxen. Derart kontrastreich den Wechsel zwischen piano und forte zu erleben, ist ein seltenes und äußerst fragwürdiges Vergnügen, wenn es nicht in der Partitur vorgesehen, sondern Eigenwilligkeiten der Tontechniker geschuldet ist. Die verantwortlichen Tontechniker an diesem Abend waren eine Katastrophe. Weder gelang es ihnen, den Wechsel zwischen Orchester und dem lesenden Röhrig reibungslos am Mischpult zu regeln, geschweige denn überhaupt ein Minimum an Feingefühl für die Musik zu entwickeln.
Röhrigs erste Wortmeldung wurde von einer derartigen Rückkopplung eingeleitet, für die man fast schon Schmerzensgeld einklagen müsste. Auch in der Folge blieb Röhrigs Lesung des Gynt-Märchens ein fragmentarisches Vergnügen, konnte man Wetten darauf abgeben, die ersten Worte von ihm garantiert nicht zu Gehör zu bekommen. Spielte das Filmorchester, krachten die Bläser und das Schlagwerk aus den Boxen, als ginge es zur Jagd. Die Streicher dagegen auf musikalischen Tippelschritten, als würde ein Zuviel den Regen locken.
Ein interpretatorische Kritik des Filmorchesters Babelsberg und der Dirigentin Katrin Behnke müssen unter diesen Umständen ausbleiben. Obwohl bei aller technischer Unfähigkeit die Frage bleibt, ob die hier gewählte Patchworktechnik von Lesung und Musik so glücklich gewählt war.
So beließ man es dabei, die Reaktionen bei den Besuchern auf die bekannten Themen aus Griegs Suiten, wie „In der Halle des Bergkönig“ oder „Morgenstimmung“ zu beobachten. Dieser Aha-Effekt des Das-kenne-ich-doch. Am vom Regen erzwungenen vorzeitigen Ende dann kräftiger Applaus und Jubel für die ins Trockene eilenden Musiker.
Dirk Becker
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