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Sie stänkert, er plärrt. Josefine Heidt als Kammermädchen Toinette und Wolfgang Mondon als Argon, „Der eingebildete Kranke“ von Molière, wie er derzeit in der Inszenierung des Theaters „marameo“ auf dem Pfingstberg zu erleben ist.

© Manfred Thomas

Kultur: An Wehwehchen fehlt es ihm nicht

Sommertheater pur mit „marameo“ und Molières „Der eingebildete Kranke“

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Seit Jahren schon ist für die Freie Theatergruppe „marameo“ der Passus „Sommertheater“ mit „Klassiker der Weltliteratur“ identisch. Man gab und spielte Schiller, Kleist, aber auch Jewgeni Schwarz. Genau dort, wo man letztes Jahr sein tiefsinniges Stück „Der Drache“ unter freiem Himmel aufführte, nämlich vor der Nordwand des Pfingstberg-Belvederes, tritt „marameo“ auf Einladung des Pfingstberg-Vereins nun wieder in Erscheinung. Dieses Mal sogar mit einer Premiere.

Am Donnerstagabend also wurde vor reichlich Publikum Molières „Der eingebildete Kranke“ aufgeführt. Einen Gutteil der Besetzung kennt man von vergangenen Produktionen, so spielte Regine Gebhard in Kleists „Prinz von Homburg“ die Kurfürstin, Ludwig Drengk im „Drachen“ diesen aufdringlichen Kater. Und Wolfgang Mondon nach Molières „Tartuffe“ wieder mit einer Hauptrolle: jetzt als jener Bürger Argon, der zwei Kämpfe gleichzeitig auszufechten hat, einmal mit seinem Tick, an allen Ecken und Enden seines Leibes krank und todwund zu sein, zum anderen will er Töchterchen Angelique (Greta Ipfelkofer) unbedingt mit seinem behandelnden Arzt Purgon (Ludwig Drengk) verkuppeln, damit der Doktor gleichsam im Hause ist. Die Zofe Toinette hat freilich nicht nur etwas dagegen, sondern im Hause des Witwers seiner ersten Gattin auch ordentlich was zu sagen. Dass sich der arme Argon da durchsetzen kann, ist von Anfang an zweifelhaft, plärrt er seiner Zweiten, der gelbkostümierten Belinde (Regine Gebhardt), sein gesammeltes Elend nicht öffentlich und höchst tränenreich vor? Auf sie, meint er, könne wenigstens er zählen, auch wenn sie anfangs so helle zu singen versteht.

Natürlich kommt es auf der kleinen Doppelbühne (Heide Schollähn), die mit einem kissenbeladenen Luftbett verbunden ist, völlig anders. Dafür sorgt schon Regisseur Andreas Lüder mit seiner zwar recht werkgetreuen, aber dennoch elastischen Interpretation des Urtextes. So fehlt bei Molière das galante Happy End zwischen Argon und Toinette, die ihm im ersten Akt so arg zusetzt, dann aber in sein Bett kriecht und ihn liebkost. Na ja, Lüders Sommertheater mit all dem Plaisir d’amour ist dies nun auch nicht gerade zuwider. Diese beiden nun werden von der Regie in einer munteren, sehr spielbetonten Inszenierung als Protagonisten gesetzt, was zur Vernachlässigung anderer Figuren führt. So dünnt Belindes Part als eheliche Erbschleicherin nach hinten zu immer mehr aus, Angeliques Liebster Cleanthe (Jan Käpernick) wird gar zum Stiefkind einer ansonsten alerten, fast unbekümmerten Regie.

Natürlich badet Wolfgang Mondon mit seinem teufelsroten Ganzkörperkostüm in dieser larmoyanten, Mitleid heischenden Rolle. Auch Ludwig Drengk als Arzt, Schwiegersohn in spe und heimlicher Galan von Belinde hat sich ordentlich was einfallen lassen, um seiner Rolle Glanz zu verleihen. Große, zum Slapstick neigende Gesten, eine überdrehte Sprache – Sommertheater eben! Greta Ipfelkofer mehr passiv als aktiv – umgekehrt Toinette, von Josefine Heidt mit all ihrem Wissen und Können nach Art von Jerzy Grotowski gespielt, immer aufmerksam, stets körperbetont und publikumsnah – allen Respekt, dafür hat sie ihren Argon ja fast schon verdient!

Wird dieser zur Pause mit einem mehrstimmig gesungenen „Plaisir d’amour“ in den Tiefschlaf befördert, so fehlt dem Opus später leider jeder Gesang, jede Koloratur. Schade, war es doch ein hübsches Stilelement in der erfindungsreichen Inszenierung. Gutes Schauspieler-Theater also, mit Lust und Launen gespielt. Schwachpunkt bleibt das kaum gestaltete Finale, wie so oft schon bei Lüder. Trotzdem wird es überall ergetztes Gefallen finden, schon deshalb, weil so vieles aus dem Publikum heraus aufgebaut wird – besonders natürlich die große Arztszene mit der verkleideten Toinette - ein köstliches Vergnügen unterm Zeltdach der Sterne.

Nächste Vorstellung von „Der eingebildete Kranke“ am heutigen Samstag um 20 Uhr. Dann wieder vom 22. bis 24. August jeweils um 20 Uhr am Belvedere auf dem Pfingstberg

Gerold Paul

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