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Kultur: Andere Sprache

Regisseur und Oscar-Preisträger Jirí Menzel erzählte im Filmmuseum über den „Prager Frühling“, über Zensur und Anpassung

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Der Abend begann mit einer Enttäuschung. Viele waren am Freitag ins Filmmuseum gekommen, um den auf der Berlinale gefeierten tschechisch-slowakischen Film „Ich habe den englischen König bedient“ zu sehen. Doch auf der Kopie, die dem Museum zugesandt wurde, fehlten die Untertitel. Also beschloss man kurzerhand, die Potsdam-Premiere vorerst zu streichen. Doch da legte Regisseur und Oscar-Preisträger Jiri Menzel höchstpersönlich sein Veto ein. Und schlussendlich sahen die aufwändig gedrehte Verfilmung des Schelmenromans von Bohumil Hrabal dann doch gut zwei Dutzend Zuschauer. Die anderen trösteten sich mit der Aussicht, dass spätestens am 21. August der Film um den Aufstieg und Fall des Kellners Jan Ditis offiziell in die Kinos kommt: dann natürlich auf Deutsch.

Doch auch für jene, die diese Tragikomödie nicht in Originalsprache sehen wollten, war der Abend nicht vertan. Die zu Beginn laufende 20-minütige Episode „Der Tod des Herrn Balthasar“ aus dem filmischen Gemeinschaftswerk „Perlen auf dem Grund“ – ebenfalls nach der Vorlage Hrabals – faszinierte durch ihre skurrile, hintergründige Komik und erwies sich auch 43 Jahre nach dem Entstehen als cineastisches Schmankerl. Die atmosphärische Leichtigkeit wäre eine gute Vorlage für das Gespräch Hans-Joachim Schlegels mit dem Regisseur gewesen. Doch der Filmhistoriker brillierte eher mit den eigenen Kenntnissen über die „Neue Welle“ des tschechoslowakischen Films, die Jiri Menzel 1965 mit anschob. Die Perlen des Menzelschen Humors wusste der kopflastige Wissenschaftler indes kaum zu heben. Und so fragte schließlich der ansonsten brav antwortende Menzel irgendwann das Publikum: „Ist das nicht zu langweilig?“ Er hatte an der richtigen Stelle den richtigen Riecher.

Während der Zeitreise zum „Prager Frühling“ erzählte Menzel, dass vor der „Neuen Welle“ alle Filme nach einer vorherrschenden Dramaturgie eine bestimmte Tendenz vermitteln mussten. „Wir aber wollten die Welt zeigen, wie sie um uns herum ist. Also brachten wir den einfachen Menschen mit seinen Widersprüchen und seiner Fantasie auf die Leinwand. Wir orientierten uns dabei an die Franzosen, die frei drehen konnten. Die wiederum waren vom amerikanischen Film beeinflusst, den wir zum Glück nicht kannten. Wir brauchten keine Gangster für unsere Filme.“

Und die Zensur, welche Rolle spielte die? Jiri Menzel antwortet ganz einfach: „Zensur ist zwar ein hässliches Wort. Aber wenn wir unseren Verstand zusammen nehmen, müssen wir sagen, dass wir ohne sie nicht auskommen. Jeder trägt sie in sich, denn jeder passt auf, dass er andere mit seinen Worten nicht verletzt.“ Doch nach dem 21. August 1968, als der „Prager Frühling“ von Panzern niedergerollt wurde, sei die Selbstzensur auch Überlebenszensur gewesen. Menzel konnte, wie viele andere Kollegen auch, vorerst gar nichts mehr sagen: Er erhielt Berufsverbot. „Die Erstarrung kam als ein Nieselregen, ganz allmählich. 1969 war noch das rebellische Jahr. Die tschechischen Menschen drohten den russischen Panzern monatelang mit den Fäusten.“ Trotz der Zerschlagung von Dubceks Reformpolitik blieb Menzel im Land. Er konzentrierte sich nun aufs Theater. „Wenn du unter den Wölfen lebst, musst du mit ihnen heulen: Jeder nach seinem Charakter. Es gab niemanden, der sich nicht die Hände schmutzig machte.“ Welche Kompromisse er selbst eingehen musste, blieb von Schlegel ungefragt.

Der Bogen in die Gegenwart wurde ebenfalls nur flüchtig geschlagen. Menzel riss an, dass das heutige Studium an den Filmhochschulen nichts mehr mit dem gemeinsam habe, was er selbst erlebte. „Es wird Kunst unterrichtet.“ Dennoch, so konstatierte er, sei die Situation zwar anders, aber keine schlechte. „Es gibt viele talentierte Filmleute und die Tschechen sind ein dankbares Publikum gegenüber einheimischen Produktionen.“

Nach wie vor ist das Theater für Menzel wichtiges Standbein. „Ich bin zwar gar kein Schauspieler, aber frech genug, die Kollegen nach Rollen zu fragen. Wenn sie keine starken Nerven haben, geben sie mir halt eine. Im Theater kann man sich gut vom Filmen erholen und umgekehrt. Ansonsten gibt es keinen Unterschied, außer dass man am Theater schlechter bezahlt wird“, erzählt er mit trockenem Humor. Am Rande der Veranstaltung war dann auch zu erfahren, dass Menzel derzeit kein Filmprojekt hat. „Die Produzenten bieten nichts an und ich will mich in diesem Fall nicht aufdrängen.“ Stoffe, die er selbst im Kopf habe, lohne es nicht, zu verfolgen. „Es sind nur Hobelspäne,“ sagte er bescheiden. Dennoch ließ der berühmte Gast an seiner beruflichen Zufriedenheit wenig Zweifel: „Ich arbeite weiter am Theater und dabei fehlt mir nichts. Ich bin ein fauler Mensch und froh, nicht zu viel machen zu müssen.“

Über die Dreharbeiten an der Seite Jiri Menzels wusste Julia Jentsch ein Loblied zu singen. „Er arbeitet präzise und weiß genau, was er will. Zugleich macht er mit allen seine Witze.“ Die Schauspielerin verkörpert in dem Film „Ich habe den englischen König bedient“ die Frau des Kellners Jan: „eine junge, naive Sudentendeutsche, die sich anstecken lässt von der Euphorie der Hitlerjugend. Doch was heute erschreckt, war damals für die meisten normal. Nur wenige leisteten Widerstand, so wie Sophie Scholl.“ Diese spielte Julia Jentsch ein Jahr zuvor. „Für mich ist es wichtig, was die Regie erzählen will, welchen Ton, welche Atmosphäre sie der Geschichte gibt. Wenn das stimmt, übernehme ich gern die Rolle. Und da steht man mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Aber so schwarz-weiß kann man die Dinge eh“ nicht sehen. Meist geht es um den Zwiespalt der Figuren.“

Und den weiß gerade ein Könner wie Jiri Menzel bestens heraus zu kitzeln.

Von Heidi Jäger

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