Kultur: Angst
Tagung im Einsteinforum widmet sich einem Gefühl
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Ist Angst in den letzten Jahren zu einem dominierenden Lebensgefühl geworden? Haben wir heute mehr Anlässe als früher, uns zu fürchten? Wie verbreitet sich Angst, welcher Medien und Kanäle bedient sie sich? Wird Angst politisch instrumentalisiert? Fürchten Amerikaner anders als Europäer und wie stellt sich das in der Politik dar? Diesen und weiteren Fragen widmet sich eine dreitägige internationale Tagung mit dem Titel „Angst - Kon(junk)turen eines Gefühls“, die am Donnerstag im Potsdamer Einsteinforum eröffnet worden ist. Die Grundthese ist, dass sich Angst historisch und kulturell verändert, etwa in den Fragen: „Was macht uns Angst?“ und „Wie sehr fürchten wir uns?“.
Im ersten und einzigen Vortrag am Donnerstagabend referierte der erimitierte Heidelberger Professor für Ägyptologie Jan Assmann vor etwa 80 Zuhörern „Über das Phobische“. Der einstündige Vortrag mit anschließender Diskussion setzte dabei viel Expertenwissen voraus. Assmann stellte dar, dass Angst ein starkes staatsbildendes Motiv gewesen sei. Bedrohten sich Menschen im chaotischen Urzustand gegenseitig, wurde der Gewalt durch die Herausbildung von Staaten Einhalt geboten. Die Angst der Menschen vor Gewalt war laut Assmann in verschiedenen Kulturen durchaus unterschiedlich. Fürchteten die Israeliten ein Chaos von oben und trauten dem Staat nicht, trauten die Ägypter dem Menschen nicht und fürchteten ein Chaos von unten. Während in der Bibel kein König gut weggekommen sei, fände sich so gut wie nichts Negatives in Quellen über die Herrscher aus dem alten Ägypten. Niemand sei überhaupt auf die Idee gekommen, die Pharaonen könnten schlechte Eigenschaften haben. In der Zusammenfassung fügte Assmann schließlich „Angst“ als Ressource politischen Handelns den Sloterdijkschen „Stolz“ und „Begehrlichkeit“ hinzu und ermahnte, dass wir uns keine Politik mehr leisten könnten, die sich der Angst bediene. Darum sei es wichtig, die Mechanismen der Angst zu erforschen.
Die Tagung über die Angst führt eine Tagungsreihe des Einsteinforums zum Thema Emotionen fort, die 2003 mit der übergreifenden Konferenz „Passion(s) in Culture(s)“ begonnen wurde. Ziel dieser Reihe ist eine fächerübergreifende Diskussion der Grundstrukturen der emotionalen Verfassungen von Gesellschaften im Wandel. Sebastian Ehrlich
Sebastian Ehrlich
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