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Kultur: Anspruch aus dem Randbezirk

Curse und Band brachten mit köchelnder Wut deutschen HipHop in den Lindenpark

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Curse und Band brachten mit köchelnder Wut deutschen HipHop in den Lindenpark Ob hier wirklich von goldenen Zeiten gesprochen werden kann? Die gepflegte Gosse der Großstädte hat der deutsche HipHop zwar längst verlassen. Die Reimkunst der Jungen mit den immer zu großen Hosen hat sich etabliert, Raptexte im Deutschunterricht zu analysieren, gehört mittlerweile zum Lehrplan. Doch ist die Kunst der Außenseiter erst einmal akzeptiert, fehlen ihr zwar nicht gleich die Zähne, aber die alte Ernsthaftigkeit. Ob böser Bube oder böses Mädel, sie sind in der Mitte angekommen. Fangen sie dann wieder an zu schimpfen, erschreckt das kaum noch, die meisten lächeln nur noch milde. Und auch mit den Verkaufszahlen ihrer Platten sah es früher schon mal besser aus. So mag es Ironie oder Beschwörung vergangener Tage gewesen sein, als Curse im halbgefüllten Lindenpark das Lied „Goldene Zeiten“ vom aktuellen Album „Innere Sicherheit“ intonierte. Deutscher HipHop mit einem gewissen Anspruch scheint seine Schuldigkeit getan zu haben. Ob die Beginner, Eins Zwo, Blumentopf oder eben Curse, die fetten Jahre sind vorbei und die Verskünstler scheinen wieder dort anzukommen, wo sie einmal anfingen: im Randbezirk. Curse, mit bürgerlichen Namen Michael Kurth, begann in seiner westfälischen Heimatstadt Minden. Vor drei Jahren erschien sein Debüt „Feuerwasser“. Und mit der Geradlinigkeit seiner Texte und Beats ließ der lange Kerl mit dem kahlen Schädel, dem harten Blick und der auffälligen Brille, die ihm immer auch die Aura des ernsthaften Studenten verleiht, gar nicht erst irgend welche Zweifel aufkommen. Was er damals wie heute in seinen Lieder thematisiert, das sind meist ganz persönliche Dinge. Selbst Liebeskummer gehört zum Erfahrungsschatz des harten Rappers, doch wie Curse davon erzählt, hat das nie was Anbiederndes oder Mitleidheischendes. In Curse köchelt immer die Wut. Und selbst auf Sparflamme reduziert, hat sein klarer Sprechgesang eine Härte, die ihn wohltuend vom fäkaliengesättigten und silbenverschluckenden Genuschel mancher Kollegen unterscheidet. Auch auf seinem mittlerweile dritten Album „Innere Sicherheit“, das im März erschien, ist sich Curse in dieser Hinsicht treu geblieben. Gespür für die Beats, in die er jetzt auch verstärkt Reggae und Soul mischt, und die geradlinigen, stakkatoartig vorpreschenden Texte, Curse bleibt eigenwillig und dadurch erkennbar. „Hand hoch“, „Curse ist zurück“ oder „Ich verlass dich nicht“, unterstützt von seiner treibenden Live-Band und Backgroundgesang, hatte er den Pulk vor der Bühne schnell im Griff, obwohl der Sound zu laut und oft miserabel war. Etwas zwanghaft nur die ständigen Aufforderungen an das Publikum, bei diesem Beat garantiert durchzudrehen und wenn nicht bei diesem, dann aber umso kräftiger beim nächsten. Um sich zu langweilen war bestimmt niemand gekommen. Und so wirkte das regelmäßige „Hey, habt ihr Bock auf Party?“ mit der Zeit dann doch arg die Nerven strapazierend. Auch wenn Curse in seinen Texten gelegentlich Politisches anspricht, am besten ist er, wenn es persönlich wird. Nur am Piano begleitet, gab Curse „Und was ist jetzt?“, eine Abrechnung mit einer gescheiterten Liebe. Als aktuelle Single sollte dieses Lied schon länger auf den Musikkanälen laufen. Doch das Video wurde abgelehnt, weil es angeblich zu anspruchsvoll sei. Die Single verkaufte sich trotzdem und als „Und was ist jetzt?“ auf Platz 28 der deutschen Charts stand, da schien der Anspruch des Videos für MTV und Viva nicht mehr zu hoch. Also doch noch goldene Zeiten? Dirk Becker

Dirk Becker

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