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Schön genuschelt. Philipp Poisel.

© Roman Soike

Kultur: Anti-Star

Grönemeyer-Schützling Poisel im Waschhaus

Stand:

Es ist ein zartes Pflänzchen, welches da die Bühne des Waschhauses erklommen hat. Fast verunsichert wirkt er vor so vielen Menschen. Wer den Namen des jungen Liedermachers Philipp Poisel noch nie gehört hat, ist vielleicht verwundert, dass die Arena in Potsdam an einem Sonntagabend mit 850 Zuschauern nahezu ausverkauft ist. Unter den zungenküssenden Paaren und erwartungsvollen Mädchentrauben, steht dann auch mal eben ein gewisser Herbert Grönemeyer im Publikum, um seinem Schützling dort oben auf der Bühne Beistand zu leisten.

Philipp Poisel ist der neue Star des Grönemeyer-Labels „Grönland-Records“ und Unterstützung kann er offensichtlich gut gebrauchen. Man muss schon ganz genau hinhören, wenn Poisel seine Lieder anstimmt. Er nuschelt, verschluckt, lässt weg – und oft singen seine Fans lauter als er. Ist das Schüchternheit?

Bei seinen Ansagen wirkt Poisel wie ein kleiner Junge, der zur Bescherung Gedichte vor dem Weihnachtsmann aufsagen soll. Verlegen spielen seine Finger mit dem Kabel seiner Gitarre. Die Wörter sprudeln hastig und leise aus ihm heraus. Dann gehen wieder die Augen zu und die nächste, emotional berührende Geschichte findet ihren direkten Weg in die Herzen der Fans.

Thematisch dreht sich alles um die Liebe. Mit dem Fahrrad geht es über’s Erdbeerfeld in „Ich und Du“ oder an den winterlichen „Seerosenteich“. Bei diesem Song steht er ganz alleine mit seiner Akustikgitarre auf der Bühne. Manchmal wird er dann so leise, dass man fast den Atem anhalten möchte. Doch die Zeit für Stille, die sich Poisel, in und zwischen seinen Liedern nimmt, gibt den starken Melodien und Texten Raum zu wirken. Seine Band bepinselt die aufsteigenden Bilder sorgfältig und dynamisch mit nuancierten, musikalischen Farbtupfern. So langsam beginnt man die eigenwillige Art des jungen Liedermachers ins Herz zu schließen. Aufgeblasene Entertainer gibt es schon genug im Musikgeschäft.

Philipp Poisel ist mit seiner oft brüchigen Stimme und den heimlich unter’s Volk genuschelten Texten so etwas wie der Anti- Star in einer Zeit, in der Etikette und künstlich geschaffene Charaktere den allgemeinen Mainstream bestimmen. Das gibt ihm die Natürlichkeit, die die Aussage und Stimmung seiner Lieder von ihm verlangt. Erst wenn man sich auf die Kanten in Poisels Musik einlässt, kann man den besonderen Charme seines ganzen Seins spüren. Doch will während des Konzerts der Funke nicht überspringen, gelingt ihm das erst bei der Zugabe „Als gäb’s kein Morgen mehr“.

Der dynamisch treibende Song reißt Poisel aus seinem Liebeskokon heraus. Wild tanzend springt er über die Bühne, als ob er sich gleich in die Menge stürzen möchte und plötzlich entlädt sich die angestaute Energie auch im Publikum. Müde Moleküle geraten in Bewegung, Arme recken sich aufgeregt zum Klatschen in die Höhe und gelöste Stimmen bedanken sich bei einem ebenfalls erleichterten Philipp Poisel. Dieser Befreiungsschlag bringt den Abend zu einem versöhnlichen Abschluss. Philipp Kühl

Philipp Kühl

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