zum Hauptinhalt
Wie eine matt gesetzte Schachfigur. Das alte Dampfmahlmühlen-Gebäude, das Manfred Hamm hier von der Wasserseite aus festgehalten hat.

© Potsdam Museum/ Manfred Hamm

Kultur: Antikes Potsdam

Das Potsdam Museum erwirbt die Fotografien von Manfred Hamm. Sie sind Zeugen einer entschwundenen Zeit

Stand:

Vieles ist verloren gegangen, aber einiges lebt in den Fotografien von Manfred Hamm fort. Nicht nur Gebäude aus Potsdam. Der Fotograf ist durch die ganze Welt gereist und hat Stätten und Orte fotografiert, die verschwinden. „Das Verschwinden“ sei sein Thema, sagt Hamm. Dabei hat der gebürtige Zwickauer sein Augenmerk auf die Architektur und deren Charakteristika gelegt. „Es geht mir um das Thema, die Würde der Architektur“, sagt Hamm.

Er vermeidet harte Schatten, dramatische Inszenierungen. Der Himmel über den Gebäuden, die Hamm fotografiert, erscheint meist flächig, weil die Bilder bei wolkenverhangenem Wetter aufgenommen werden. So lenkt keine Inszenierung vom Blick auf das Objekt ab. Es kann seinen eigenen Charakter, seine Besonderheiten entfalten. Dabei entstehen zwar Dokumentarfotografien. Aber die Bilder sind doch nicht um die immer gleiche, völlige Neutralität bemüht wie die von Bernd und Hilla Becher.

Anders als das stilbildende Fotografenpaar variiert Hamm den Standpunkt des Fotografen, versucht den besonderen Charme und die Historie des Gebäudes einzufangen. Manchmal wartet er bis zu fünf Stunden auf den richtigen Belichtungszeitpunkt. Die meisten seiner Fotografien sind analog entstanden. Mit aufwendigen Belichtungen des Fotopapiers im Atelier kitzelt Hamm aus der Fotografie alle Nuancen des Graubereichs heraus. So entstehen Bilder, die den Betrachter in die Tiefe der fotografierten Hallen und Räume hineinziehen.

Das Areal der Schiffbauergasse, der Persius-Speicher, die Zeppelinstraße sind Stätten, die heute renoviert, umgebaut und zum Teil neu errichtet sind. Verfallene Industriebauten und Straßenzüge, funktionslose Gasometer, leer stehende Innenräume von Fabriken, das Babelsberger Schloss, all das hat Hamm festgehalten.

„Viele sind nach der Wende ausgeschwärmt und haben erst einmal das Mittelmeer fotografiert. Da waren unendlich viele Motive, die vorher nicht erreichbar waren“, sagt Britta Kaiser-Schuster von der Kulturstiftung der Länder. „Wir wollten das historische Erbe im Blick behalten und bewahren“, konstatiert Jobst-Hinrich Ubbelohde vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung, das den Ankauf des Konvoluts von 10 000 Schwarz-Weiß-Negativen und Farbdias mit Aufnahmen aus Potsdam aus den Jahren 1990 bis 2008 sowie von rund 400 Originalabzügen in verschiedenen Größen unterstützt hat.

Damit hat das Potsdam Museum eine Lücke in seinem Bestand geschlossen, wie Jutta Götzmann, die Direktorin des Potsdam Museums betont. Denn das Museum verfügt zwar über die wohl größte Sammlung von Fotografien zu Potsdam mit rund 100 000 Bildern. Bisher aber gab es wenige Dokumente zur unmittelbaren Nachwendezeit. „Das Potsdam Museum setzt damit seine dynamische Entwicklung an einem zentralen Ort Potsdams fort“, stellt Götzmann fest.

Als sich nach dem Fall der Mauer für die Neubürger aus dem Ostteil Deutschlands die Welt öffnete, zog es viele hinaus in die Welt. Weg von maroden Mauern und Gebäuden. Hamm, 1944 in Zwickau geboren, dann aber im Westen, in Köln, aufgewachsen und zum Werbe- und Theaterfotografen ausgebildet, zog es schon früh in die weite Welt. Ein Jahr verbrachte Hamm in Australien, immer wieder zog es ihn in die Südsee. Groß angelegte Fotoprojekte führten ihn zu Recherchereisen in die verschiedensten Länder. Für den Fotoband „Die Antiken Stätten von morgen“ fotografierte er Hochöfen in England, die gesprengten Bunker des Atlantikwalls in Frankreich, eine Baumwollspinnerei in Italien. Alles Bauten, die eine bewegte Industriegeschichte erzählen und bald nachdem sie ihre Funktion verloren haben wie fremdartige Monumente wirken.

„Der Schrott von heute ist die Antike von morgen“, stellt der Fotograf fest. Nach Potsdam gelangte Hamm über ein Projekt zu Friedrich Schinkel. Als er die Bauten des Architekten und Künstlers fotografierte, wurde Hamm auch auf die Spuren Schinkels in Potsdam aufmerksam: die Nikolaikirche, die Schinkelhalle in der Schiffbauergasse, Wohnhäuser in der Yorckstraße. So ergab es sich, dass unmittelbar nach der Wende ein Potsdam in den Fokus des Fotografen rückte, das heute nur noch als Historie existiert.

Nicht alle seiner aufwendigen Fotobücher und Projekte konnte Hamm frei finanzieren. Auch als mit Preisen ausgezeichneter Werbefotograf und im Auftrag von Magazinen hat er seine Dokumentationen realisiert.

Wegen seines Interesses für fremde Kulturen und die Geschichten, die sich mit den jeweiligen Orten verbinden, wollte Hamm eigentlich Ethnologe werden und fremde Völker erforschen. Nun sind es die Orte, die es nicht mehr gibt, als Zeugnisse einer Übergangszeit im Potsdam Museum auf Hamms Fotografien festgehalten. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })