Kultur: „Apokalypse“
Broder in der Stadt- und Landesbibliothek
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Was er denn noch in sein Buch aufnehmen würde, wenn es morgen erst in Druck ginge, fragte der Moderator des Abends, „Welt“- Journalist Hannes Stein, den streitbaren Publizisten Henry M. Broder, der nach Potsdam gekommen war, um keinen Hehl daraus zu machen, dass er sein Buch verkaufen wollte. Mindestens drei Mal betonte Broder, dass da draußen ein Büchertisch sei und dass er deshalb nicht allzu viel von dem preisgeben wolle, was er in seinem „ersten Bestseller“ geschrieben habe. Ehrlich ist er, auch in seinem marktwirtschaftlichen Ehrgeiz. Immerhin antwortete er auf Steins Frage, dass er und sein Verleger darüber nachgedacht haben, eine Loseblattsammlung zu machen, da die Hetzreden des Islamismus, die meist gegen die Juden gerichtet seien, nicht aufhören. Als einen der neuesten empörenden Fakten nannte er das Scheitern der Erklärung der Islamverbände, die nicht einmal zu dem Konsens kommen konnten, dass sie die Grundlagen des Grundgesetzes anerkennen und gegen den Islamismus seien. In der Tat erschreckt diese Haltung sehr, und Broder ist noch mehr erschrocken über die Tatsache, dass dies noch nicht einmal ordentlich von den Medien kommentiert und berichtet wird.
Wenn man klare Meinungen möchte, so kann man sie von Broder hören, auch wenn er von der Zeit getrieben ist, die ihn vor den Fernseher jagt, in dem er „um 21 Uhr 15“ seine Lieblingsserie „Desperate Housewives“ auf keinen Fall verpassen wollte und so ein wenig Druck auf sein Publikum ausübte.
Prall besetzt war der Veranstaltungssaal in der Stadt- und Landesbibliothek am Dienstagabend, als der Star des Abends, auftrat und sogar vorauseilenden Applaus erhielt, noch bevor er ein Wort gesagt hatte. Das passiere selten, registrierte die Chefin der Bibliothek, Marion Mattekat, in ihrer Einführung, und stellte neben dem „streitbaren Henryk M. Broder“ auch gleich die Reihe „Buch aktuell“ in Kooperation mit der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Da Broder wenig Zeit hatte, ging er sofort dran, aus der Einleitung und einem Kapitel seines jüngst erschienen Buches „Hurra, wir kapitulieren. Von der Lust am Einknicken“ zu lesen. Zunächst teilt er in seiner Streitschrift mit, dass er leider kein Terrorist geworden sei, obwohl er dafür eigentlich alle Voraussetzungen mitgebracht habe: „Kind einer dysfunktionalen Familie, einsam, verzweifelt, frustriert und geladen wie ein Fass mit Dynamit auf der Bounty“. Aber was ihm fehle, sei der Drang, „mich an der Welt zu rächen“. Immerhin bleibt sein Drang, die Welt darauf hinzuweisen, was sie alles falsch einschätzt. Broder fungiert beständig wieder als agent provocateur, der den anderen den Spiegel vorhält. In seiner aktuellen Polemik ist dies die falsch verstandene Multikulturalität, die seiner Meinung nach dem Islamismus Tür und Tor öffne. Dieser gefährdet nicht nur die Grundlagen unserer Kultur, sondern auch Israel als Staat, der gerade vom Iran als Zielscheibe benutzt wird. Broder verurteilt scharf das vorauseilende Einknicken ganzer Staaten, die wie bei dem Karikaturen-Streit lieber die Pressefreiheit dem Dschihad vor die Füße werfen, anstelle ihre Werte zu verteidigen.
Mit einer ganzen Reihe von Feststellungen hat der inzwischen weißhaarig gewordene Mann, der zwar nicht verriet, wann er geboren ist, aber immerhin so weit ging, zu sagen, dass er vor vierzig Jahren Abitur gemacht hat, sicher Recht. Dass man die eigenen Errungenschaften, wie die Pressefreiheit oder die der Trennung von Kirche und Staat, oder, und welche Frau wollte da widersprechen, die der weiblichen Bewegungsfreiheit und Selbstbestimmung verteidigen muss und dass das aus Angst vor Angriffen zu wenig geschieht, ist offensichtlich.
Und wahrscheinlich benötigt man in einem solchen Klima die rhetorisch-polemischen Fähigkeiten eines Henryk M. Broder, um klar Stellung zu beziehen. Aber dass man gleich mit der Apokalypse auf uns „arme Europäer“ eindreschen muss, gefiel dann doch nicht allen und in der einigermaßen konfusen Diskussion war zumindest ein Herr so beherzt, genau in diesem Punkt zu widersprechen.
Lore Bardens
Lore Bardens
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