Kultur: Arabiens Stunde der Wahrheit Peter Scholl-Latour
zu Gast im Nikolaisaal
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Auch Peter Scholl-Latour wurde überrascht. Er, der sich wie kaum ein anderer in der arabischen Welt auskennt, in ihrer Geschichte und den aktuellen Abläufen. Er, der immer die Weltpolitik im Großen im Blick hat, deren Entwicklungen und Verfehlungen ständig einer kritisch-gnadenlosen Analyse unterzieht, hatte den Umbruch nicht kommen sehen, der im Dezember 2010 in Tunis seinen Anfang nahm, in den kommenden Monaten auch auf andere Staaten übergriff und heute vor allem unter den Begriffen „arabischer Frühling“ oder „Arabellion“ bekannt ist. Zu dieser Zeit plante Scholl-Latour ein Buch, in dem er die Verbindungen und Gegensätze einer multipolaren Welt aufzeigen wollte, in der Europa und Amerika immer stärker an Bedeutung verlieren. Dann überschlugen sich die Ereignisse.
„Arabiens Stunde der Wahrheit. Aufruhr an der Schwelle Europas“ ist der Titel des Buches, das Peter Scholl-Latour unter dem Eindruck der „Arabellion“ geschrieben hat. Am morgigen Mittwoch ist der mittlerweile 88-jährige Scholl-Latour zu Gast in Potsdam, um „Arabiens Stunde der Wahrheit. Aufruhr an der Schwelle Europas“ (Propyläen Berlin, 24,99 Euro) vorzustellen. Und wer Scholl-Latour, der als erfolgreichster Sachbuchautor Deutschlands gilt, schon einmal bei seinen Aufritten in Potsdam erleben durfte, zuletzt im Dezember 2009, der weiß, dass dieser Mann nicht aus seinen Bücher liest. Er referiert zu dem entsprechenden Thema und lässt dabei auch die aktuellsten politischen Entwicklungen in seine Ausführungen einfließen.
Maghreb, Sudan, Sahel und Ägypten, Libyen, Bahrain, Irak und Syrien sind die Länder im nordafrikanischen und arabischen Raum, die Scholl-Latour in „Arabiens Stunde der Wahrheit“ einer genauen Analyse unterzieht. „Meine Absicht ist es nicht, die jüngsten Ereignisse in ihren Einzelheiten darzustellen. Da ich den arabischen Raum seit nunmehr sechzig Jahren regelmäßig in all seiner Vielfalt bereist habe, lege ich Wert auf eine historische, kulturelle und religiöse Einordnung, die oft ins ferne Mittelalter zurückreicht“, schreibt er im Vorwort. Trotzdem bilden diese aktuellen Ereignisse um den „arabischen Frühling“ den Grundton auf den folgenden knapp 400 Seiten.
Scholl-Latour fragt, welche Entwicklungen die Bewegungen im arabischen Raum jetzt nehmen und zeigt Situationen im Schwebezustand. Und was eine negative Entwicklung für den europäischen Raum bedeuten könnte, da findet Scholl-Latour klare und nicht gerade beruhigende Worte: „Für die Europäer hingegen, für die unmittelbaren Nachbarn dieser orientalischen Tumulte, geriete der Übergang des Arabischen Frühlings oder des arabischen Herbsts in einen frostigen arabischen Winter zu einer Belastung, der der zerstrittene Kontinent nicht gewachsen wäre. Das Abendland ist in keiner Weise gewappnet, den arabischen Ungewißheiten mit Gelassenheit, Selbstbewußtsein, Sachkenntnis und auch mit der nötigen Sympathie zu begegnen.“ Dirk Becker
Peter Scholl-Latour ist am morgigen Mittwoch, 20 Uhr, im Nikolaisaal in der Wilhelm-Staab-Straße 10/11 zu Gast. Der Eintritt kostet 10 Euro
Dirk Becker
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