Von Babette Kaiserkern: Arielle mit Flöte, Harfe und Celesta Walt Disneys Magic Music im Nikolaisaal
Auf der Bühne im Nikolaisaal ist jeder Platz besetzt. Zu den 60 ständigen Musikern hat das Filmorchester Babelsberg noch rund ein Dutzend hinzugefügt.
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Auf der Bühne im Nikolaisaal ist jeder Platz besetzt. Zu den 60 ständigen Musikern hat das Filmorchester Babelsberg noch rund ein Dutzend hinzugefügt. Für Batterien von Schlaginstrumenten aller Art sind allein fünf Instrumentalisten zuständig. Auch eine Harfe und ein Mann am Steinway-Flügel sind zu sehen, abgesehen von der üblichen Mischung aus Symphonie-Orchester und Big Band. Das musikalische XXL-Format zeigt: Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Allein für die Konzertbühne wird aber solch ein riesiger Orchesterapparat von Komponisten unserer Zeit kaum noch in Bewegung gesetzt. Derartiger musikalischer Aufwand wird heute in Verbindung mit dem Massenmedium Film betrieben. Dass die dazugehörigen Filme keine Arthouse-Produktionen sind, versteht sich von selbst.
Am Samstagabend lockten Blockbuster aus Walt Disneys Unterhaltungskonzern das Publikum in den ausverkauften Nikolaisaal. Mit dem Amerikaner Scott Lawson stand der richtige Mann am Pult. Voller Begeisterung verlieh er der Musik massentauglichen Drive und unterhielt die Zuschauer mit humorvollen und informativen Zwischenbemerkungen. Den Auftakt machte die Disney Classics Ouvertüre, ein Potpourri aus berühmten Filmen, das mit dem Mickey Mouse March und der Disney World Hymne „It’s a Small World“ endete.
Mit seinen Filmen und den Vergnügungs-Parks legte Walt Disney die Basis für eine weltweite Kolonialisierung der Phantasie. Mickey Mouse und Konsorten legten den Grundstein dafür. Zunehmend fanden Märchen, Sagen und Mythen aus aller Welt Aufnahme in das Disney-Universum, wie die gezeigten Filmausschnitte zeigten.
Sie reichten vom altgriechischen Helden Herkules über die altchinesische Legende des kriegerischen Mädchens Mulan bis zu bekannten orientalischen und europäischen Märchen. Einzige Neuschöpfung und größter Erfolg bis heute ist der „König der Löwen“, ein reiner Tierfilm, der auch unter musikalischen Aspekten höchst bemerkenswert ist. Auch wenn manche Merkmale in allen Trickfilmen vorkommen, wie die typische Zeichnung der Gesichter, so erstaunt doch die Verschiedenartigkeit nicht nur der Bilder, sondern auch der Musik. Sie stammt von einigen der besten Film-Komponisten unserer Zeit.
Einer von ihnen, der New Yorker Alan Menken, erhielt für seine Musik zu Disney-Filmen allein acht Oscars. Im Nikolaisaal war zu hören, wie phantasievoll und ideenreich seine Musik zu Filmen wie „Arielle“, „Hercules“ oder „Der Glöckner von Notre Dame“ komponiert worden ist. Es ist eine Mischung aus spätromantischen, symphonischen Klängen und Jazz- und Popmusik unserer Zeit. Da tanzen die Meeresbewohner einen flotten Samba und beim Auftritt der bösen Ursula erklingt ein grotesker Marsch im Stil von Schostakowitsch. Für Arielle selber wird ein impressionistisches Instrumentarium verwendet mit Flöte, Harfe und Celesta. Polka und Walzer im Stil von Johann Strauß erklingen in der „Schönen und das Biest“, einschließlich Soli von Geige und Cello.
Bei der antiken Herkulessage tanzen die griechischen Damen im schwarzen Motown-Sound. In einem ganz altmodischen Stil melodiös und tänzerisch erklingt die Musik von Mary Poppins, die von Richard und Robert Sherman geschrieben wurde. Dass Jerry Goldsmith ein überragender Komponist ist, zeigt sich bei der Mulan-Suite mit äußerst filigranen, differenzierten Klängen. Einzelne Instrumente, wie Horn und Oboe treten hervor, zarte pentatonische Melodien leuchten auf. Das unterscheidet sich stark von jenen manchmal pompösen und lärmenden Breitwandklänge, die das Filmorchester Babelsberg gerne auch mal entfesselt, wenn es dem „Affen Zucker gibt“. Der weltweite Erfolg vom „König der Löwen“, zuerst als Film, dann als Musical beruht nicht nur, aber auch, auf der fantastischen Musik von dem Afrikaner Lebo M., dem großen deutschen Komponisten Hans Zimmer und Elton John und Tim Rice. Es ist in mehrfachem Sinn Weltmusik unserer Zeit, eine selbstverständliche Mischung mit Anleihen von Mozart bis zu afrikanischer Musik.
Dabei erweist sich das Babelsberger Filmorchester unter der souveränen Leitung von Scott Lawton einmal mehr als tonmächtiger, geschickter Klangkörper, der das Publikum in den Bann zu ziehen weiß. Die Besucher dankten mit großem Applaus und die Musiker gaben zwei Zugaben.
Babette Kaiserkern
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