Kultur: Arkadische Augenblicke
Künstler aus Potsdam und Schüler der Comenius-Schule erarbeiteten gemeinsam eine Opernaufführung
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Zum Schluss haben sie sich selbst in Hofdamen, Faune und Maskenträger verwandelt: 17 Kinder der Klasse 4a und der Klasse 7/8 der Comenius-Schule vereinten sich im Schlussbild der Aufführung „Arkadien – das Land unserer Träume und Wünsche“ in ihren selbst gestalteten Kulissen zu einem bunten Maskenball. Es ist ein Bild, das noch lange nachwirkt. Hier ist im wahrsten Sinne des Wortes etwas über die Bühne gegangen, was weit über den normalen Schulalltag hinausweist und sehr viel Hoffnung macht.
Denn die Schüler, die hier für wenige Augenblicke auf der Bühne stehen, haben sich unter ganz besonderen Bedingungen darauf eingelassen, sich ihr eigenes Arkadien zu schaffen. Einige von ihnen sind mehrfach behindert, an den Rollstuhl gebunden, andere lernen hier, weil diese Schule überall dort ansetzt, wo sonderpädagogischer Förderbedarf besteht.
Die bildenden Künstler Heidrun Holke und Werner Jaschinsky haben sich über mehrere Monate mit den Kindern behutsam an das Thema Arkadien angenähert. Heidrun Holke hebt die ungeheure Leistung der mitwirkenden Kinder an dem Erlebnisprojekt hervor. Gemeinsam wurden Masken gestaltet, das Bühnenbild und die Kulisse gemalt und unterstützt von Christine Jaschinsky sogar Kostüme genäht. Nach und nach gerieten die Kinder auf diese Weise ganz von selbst mit Dianen, Satyrn, Faunen und Prinzessinnen in Tuchfühlung. Das kühne Experiment ist gelungen: Pünktlich zur Premiere sind Bühnenbild und Kostüme fertig, ist ein bespielbares Bild entstanden, in dem sich eine Sängerin (Göttin Diana: Dana Marbach, Sopran), ein Tänzer (Satyr: Steffen Findeisen) und die Musiker vom Ensemble I Confidenti mit Cembalo, Violine und Flöte harmonisch einfügen.
Damit alle Schüler dem Geschehen auf der Bühne folgen können, schaltet sich gleich zu Beginn der Aufführung ein Erzähler (Nils Niemann, Regisseur) ein. Von ihm erfährt man, was es mit der jagenden Göttin Diana auf sich hat und dass sich der Gesang der „tortorella“, der Taube, in der Musik der Querflötisten versteckt. „Tortorrrella“, schwärmt der Erzähler den Kindern vor, „das klingt doch wie ein Schokoladentörtchen auf der Zunge!“ und stimmt seine jungen Zuhörer damit geschickt auf die kurz darauf in italienischer Sprache erklingende Tortorella-Arie der zauberhaften Göttin Diana ein. Regelrechte Begeisterungsstürme lösen die neckisch gemimten Kapriolen des Satyrn aus, der sich mit Diana manch einen Schabernack erlaubt. Die Kinder, die die empfindsame Musik aus dem Pasticcio „Pastorale à Sanssouci“, die kurzen Stücke von Carl Philipp Emanuel Bach und das gesamte Geschehen mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgen, sind in diesen Augenblicken ganz in ihrem Arkadien drin.
Ganz wie zu Friedrichs II. Zeiten haben sie sich ihr Theater in ihr Haus, in ihr Schulhaus geholt. Dass es dazu kam, ist nicht nur dem Idealismus der Künstler und Pädagogen, sondern auch der gezielten Förderung des Behindertenbeauftragten des Landes, Rainer Kluge, zu danken. Hier ist etwas sehr Ungewöhnliches geglückt. Die Vision einer Koproduktion von professionellen Künstlern und lernbehinderten Kindern ist aufgegangen.
Und somit stand die Premiere am Dienstag unter einem besonderen Stern. Als die Schüler mit Sonnenschirmchen, Reifrock, Fächern und Masken am Ende der Aufführung auf die Bühne kommen und im Schlussbild sichtlich begeistert in ihren eigenen Kulissen stehen, ist Arkadien mit Händen zu greifen.Almut Andreae
Almut AndreaeD
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