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Kultur: Armer Bach Orgelsommer mit

Leonardo A. Ciampa

Stand:

„Ein Organist ist ein kunstreicher Kirchen-Diener und starcker Clavierspieler, der die Composition verstehet, Choralgesängeauszuzieren“, schreibt Johann Mattheson anno 1740 in seiner „Musikalischen Ehrenpforte“.

Liest man die Biografie des US-amerikanischen Organisten Leonardo A. Ciampa, scheint er in all den genannten Gefilden heimisch. Sein Auftritt beim Internationalen Orgelsommer suchte davon zu künden, als er an der Schuke-Orgel der Erlöserkirche vor einer sichtbar gewachsenen Schar von Kennern und Liebhabern konzertierte. Vorher ließ er verkünden, dass er sein Programm wegen Überlänge eingekürzt habe. U. a. drei Orgelstücke des französischen Spätromantikers Alexandre Guilmant fielen so dem Rotstift zum Opfer.

Was man anfangs bedauern mochte, erwies sich jedoch alsbald als Wohltat. Seine Stärken mögen auf den Gebieten der Publizistik, des Klavierspiels und der Liedbegleitung liegen – ein überzeugender Organist ist Leonardo A. Ciampa nicht, der seit fünf Jahren als Musikdirektor der St. Paul’s Church in Brookline/Mass. tätig ist. Einfach und schlicht ist Johann Pachelbels (1653-1706) Choral „Der Tag, der ist so freudenreich“ gesetzt. Mit weich getönten Stimmen erklingt er.

Ihm folgt der Sprung in die Gegenwart, zur „Luthersymphonie“ genannten Komposition von Leonardo A. Ciampa. Doch schon bald entpuppt sich das als Erstaufführung angekündigte Opus als eine Ansammlung von bearbeiteten Kirchenliedern des Reformators. Eine Symphonie im klassischen Sinne ist sie nicht. Eine musikalische Entwicklung findet in ihr nicht statt, auch bringt sie keinerlei musikalische Gedanken von besonderer Bedeutung zum Ausdruck. Es genügt nicht, sich an den Widorschen Orgelsinfonien zu orientieren, wenn man sie nicht mit Inhalt füllen kann. Dass man ihr, ohne inhaltliche Einbuße zu erfahren, einfach eine Nummer streichen kann, spricht Bände. Ciampas unoriginelle Verwandlung der Lutherischen Choräle nimmt sich die Bachschen Choralbearbeitungen zum Vorbild, ohne je deren Tiefe zu erreichen. Fürs introvertierte „Christ lag in Todesbanden“ wählt er dunkel getönte Zungenstimmen, dem christlichen Bekenntnis „Wir glauben all an einen Gott“ zieht er im vollen Werk vorrangig die Prinzipale. Glaubensfestigkeit dokumentiert sich im marschähnlichen Fortschreiten. Fahl und geheimnisvoll, fast mystisch erklingt „Jesus Christus unser Heiland“, festlich aufrauschend „Ein feste Burg ist unser Gott“. Von ihr ist jedoch weit und breit nichts zu sehen und zu hören.

Was Mozarts pianistische Zwölf Variationen über „Ah, vous dirai-je, Maman“ auf der Orgel verloren haben, verstehe wer will. Sehr verspielt und originalitätssüchtig geht er mit ihnen um, zieht farbenreiche Register: das achtfüßige Holzgedackt, Prinzipale, die Fülle der Flötenstimmen, Cymbel Ein fader Nachgeschmack bleibt jedoch, auch wenn er mit der im vollen Werk aufrauschenden Finalvariation auf Johann Sebastian Bachs abschließend erklingende Passacaglia c-Moll BWV 582 verweisen will. Gleichmäßigen Schritts und dröhnenden Tons durchstampft er die Fugenfolge. Wenig abwechslungsreich artikuliert und schlecht phrasiert heißt es: volles (Wind-)Rohr und durch. Armer Bach.Peter Buske

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