Kultur: Arrivederci Sergio!
Abschied von Azzolini beim Schlosskonzert
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Abschieden haftet immer etwas Sentimentales an. War dies der Grund dafür, dass Sergio Azzolini beim Schlosskonzert im Neuen Palais, mit dem er sich als künstlerischer Leiter der Kammerakademie Potsdam von seinem Publikum verabschiedete, gerade den elegischen Scherzando-Satz aus Georg Philipp Telemanns Concerto a 10 als Dankeszugabe auserwählte und keinen flotten Rausschmeißer?! Der Abschied nach erfolgreicher fünfjähriger Zusammenarbeit mit den Musikern ging ihm sichtlich sehr nahe. Doch dem Lebewohl (als Leiter) soll bald ein Willkommen (als Solist) folgen.
Ob als Einzelspieler oder im Orchester musizierend: stets hat er Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks zu seiner Maxime erhoben. Das Auditorium konnte es an diesem Spätnachmittag noch einmal erleben – und genießen. Und zwar in einem Programm unterhaltsamer Werke von Telemann und Fasch, in der das galante Zeitalter spielfreudige Wiederauferstehung feiern konnte. Dabei trat die Kammerakademie als Barock Consort auf. Man spiele auf historischen Instrumenten, verhieß das Programmheft. Die Bläser und das Cembalo waren es augenscheinlich und ohrenfällig, die Streicher wohl kaum.
Dass nicht alle von ihnen mit barocker Bogenhaltung und -führung aufwarteten, spricht auch nicht unbedingt für die totale Hingabe an historische Musizierweise. Dennoch gab man sich Mühe, auch wenn Inspiration und Esprit diesmal auf Sparflamme köchelten. Keine Mühe gab sich hingegen der Programmtexter. So dürftige, bildungsabstinente, in Allgemeinplätzen sich ergehende Werk-„einführungen“ hat der Kritiker höchst selten erlebt. Für das Orchester der Landeshauptstadt, als das man sich gern ausgibt, ist es mehr als ein Armutszeugnis – es ist peinlich.
Höchst ungewöhnlich, aber klanglich reizvoll ist die Besetzung des Telemannschen D-Dur-Konzertes für zwei Soloviolinen (Yuki Kasai, Peter Rainer), Fagott (Azzolini), Streicher und Basso continuo (mit der hier wie in den anderen Stücken vortrefflichen Cembalistin Beni Araki). Vibratoarm geigten sich die beiden Solisten gleichsam in einen vergnüglich anzuhörenden Primadonnenwettstreit. Jede von ihnen hatte dabei ihren „Hofstaat“ in Gestalt eines Miniensembles hinter sich. Mit seinen akzentuierten Stakkati mischte sich das Fagott sozusagen als witziger Kommentator in die erhitzte Debatte ein. Darüber hinaus ging es gefühlvoll, festlich und beschwingt zu.
Innig, weich getönt und sehr intim erklang das Lautenkonzert d-Moll von Johann Friedrich Fasch (1688-1758). Als einfühlsamer und klangedler Zupfmeister erwies sich dabei Diego Cantalupi. Mit viel Spannung (auch körperlicher, denn wer konnte spielte seinen Part stehend) und Humor erklang Faschs C-Dur-Fagottkonzert, in dem Azzolini noch einmal mit enormem Rhythmusgefühl und seiner schier ausufernden Spielfreude brillieren konnte. Im finalen Telemannschen F-Dur-Concerto a 10 zeigte sich das Barock Consort ganz von seiner facettenreichen Seite: temperamentvoll, energisch, elegisch und fröhlich, wobei sich vertrauliches Kamingeplauder zur Lautenkantilene mit fröhlich-frischem Jagdgeschmetter abwechselte.
In der nun zu Ende gegangenen Azzolini-Ära hatte der brillante Fagottist die Kammerakademie auf der historischen Strecke ein gutes Stück vorangebracht. Dafür dankte ihm das Publikum mit anhaltendem Beifall, ein jeder Musiker mit einer roten Rose. Arrivederci Sergio.Peter Buske
Peter Buske
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