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Kultur: Artifizielle Vergnügungen

Die Madrigalkomödie „La Pazzia senile“ im Schlosstheater

Stand:

Die Madrigalkomödie „La Pazzia senile“ im Schlosstheater Die in das Schlosstheater im Neuen Palais verlegte Musikexpedition nehmen Realschüler und Gymnasiasten, ihre Lehrer nebst Musik liebenden Touristen als eine willkommene Abwechslung, sich mit klassischer Tonkunst, dem für viele bislang unbekannten Wesen, sehhörend zu beschäftigen. Und zwar in Gestalt der Operetta storica (alte Operette) „La Pazzia senile oder Alter schützt vor Torheit nicht“ nach der Madrigalkomödie von Adriano Banchieri (1567-1634). Da Komponistennamen, Werktitel und Inhalt kaum einem der Zuschauer bekannt gewesen sein dürfte, gibt es erst einmal ein Kurzreferat zur Materie und dem, was das Ensemble „I Confidenti“, in Zusammenarbeit mit den Uckermärkischen Bühnen Schwedt, aufführt. Übrigens ist diese junge Spezialistentruppe für Alte Musik bereits zum zweiten Mal in Potsdam zu erleben. David Matthäus Zurbuchen, Fachmann für die besondere Kunst der Commedia dell''Arte, hat mit den erfrischend natürlich spielenden und kehlenfertig singenden Künstlern das Werk fachgerecht einstudiert. Zunächst erzählt er einem aufmerksam lauschenden Auditorium von den Besonderheiten der Gattung, von den typisierten Figuren wie dem gewieften Dottore, dem lustigen und listigen Paar Colombina und Arlecchino, vom alten und geilen Geizkragen Pantalone... In Gestalt stilisierter Puppen stehen einige von ihnen auf der leeren, nur mit vorhangbemalten Versatzstücken ausstaffierten Bühne (Christine Jaschinsky) herum. Als lebendige Bühnenfiguren agieren sie voller Witz und Buffonerie, stecken in Kostümen, die ihren sozialen Stand trefflich vorzeigen. Die Geschichte der Handlung ist vom Regisseur schnell berichtet. Zur Karnevalszeit brechen zwei alten Knackern – hager und bärtig der eine (Pantalone), klein, dickbäuchig und gemütlich der andere (Dottore Grazian) – die Frühlingsgefühle aus. Ersterer hat sich in eine etwas zweifelhafte Dame verguckt (Donna Lauretta), letzterer in Pantalones Tochter Doralice. Die ist in den jungen Herrn Fulvio verknallt, der wiederum nicht so recht weiß, wie man sich auf Freiersfüßen verhält. Unterstützung erhält das Hohe Paar durch das pfiffige Dienerduo Colombina/Arlecchino (hier Burratino genannt). Sie kriegen sich, die Alten gehen natürlich leer aus. Es werde deutsch gesungen, versichert der Inszenator. Was leider nicht stimmt, denn über weite Strecken wird im italienischen Original gesungen, wodurch der Grad des Verstehens des Geschehens gegen Null geht. Was zur Folge hat, dass im Zuschauerraum geflüstert, gekichert und sonst wie Unruhe verbreitet wird. Spricht (und singt) die Personage deutsch, ist die Aufmerksamkeit ungebrochen. Vor allem durch zwei kommentierende Spielfiguren: Als clownesk figurierender „L''umor bizzaro“ (der auch in die Rolle des Dottore schlüpft) bereitet Schauspieler Lutz Schneider mit seiner wirklichkeitsnahen, spöttisch-derben Sprache viel Freude, in der ihm Sopranistin Eike-Harriet Riga als Bertolina (die auch als Donna Lauretta vorzüglich reüssiert) in nichts nachsteht. Musikalisch zeigt sich die Komödie ebenfalls ganz von ihrer reizvollen, feinheitenreichen Seite. Bereichert mit Madrigalen und Canzonen von Benedetto Ferrari, Luca Marenzio, Claudio Monteverdi und Pierluigi di Palestrina versprüht sie burleske bis sentimentales Gefühle. Die Instrumentalisten von „I Confidenti“ beherrschen unter der musikalischen Anleitung von Cembalist Alexander Weimann ihre Tonerzeuger, darunter Chitarrone (zur Rezitativbegleitung) und Lirone (eine 14-saitige, in Quarten und Quinten gestimmte Gambe), mit überbordender Spiellust, exzellentem Können, gestalterischem Tiefgang. Was sich in stilisierten Bewegungen, pantomimisch überdeutlichen Gesten und Schritten höchst artifiziell auf der Bühne vollzieht, erfährt die lustvollste klangliche Entsprechung. Von kunstvollem Tonsatz bestimmt sind die Gesänge von Liebhaber Fulvio, dem Matthias Vieweg edlen Baritonglanz leiht, und seiner geliebten Doralice, die in Altus Alexander Schneider vornehm-mondäne Stimmnoblesse erhält. Episches Vorzeigetheater betreiben gleichfalls die soubrettenquicke Katharina Göres (Colombina), der tenorbuffoneske Christian Schossig als strubbelhaariger Irrwisch (Burratino) und der bassbaritongeschmeidige Roman Grübner als skurriler Pantalone. Durch Halbmasken sind die Gesichter der beiden Darsteller auf Figurentypisches festgelegt. Nach zwei vergnüglichen Stunden fällt dem sehens- und hörenswerten Spektakel, das die Gemüter einst in Wallung brachte, heftiger und bravoreicher Beifall zu. Peter Buske Nächste Vorstellung im Schlostheater im neuen Palais. heute um 19 Uhr

Peter Buske

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