Kultur: Askese
„Berliner Messe“ zum Abschluss der „Vocalise“
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Der Komponist Arvo Pärt gehört zu den meistgespielten der Moderne. Dass aber gleich ein ganzes Konzert aus seiner Musik besteht, ist eher selten. Im Rahmen der „Vocalise“ wagten der Neue Kammerchor Potsdam und das Neue Kammerorchester unter der Leitung von Ud Joffe das Risiko und präsentierten zum Abschluss in der Erlöserkirche Potsdam ein reines Pärt-Programm mit der „Berliner Messe“ im Zentrum.
Konzentration, Askese und Spiritualität sind die bestimmenden Elemente in Arvo Pärts Musik. Mit dem Tintinnabuli-Stil kreierte der Komponist, der in diesem Jahr 75 Jahre alt wurde, einen Klang und eine Kompositionsweise, die ihn unverwechselbar machen. Diese auf Dreiklängen basierende Tonsprache wirkt, auch und gerade in Verbindung mit traditionellen Elementen, innovativ und vertraut zugleich. Seit den achtziger Jahren bekennt sich Arvo Pärt zum russisch-orthodoxen Glauben. In allen seinen Werken findet seine tiefe Religiösität klingenden Widerhall. Sogar die eröffnende Instrumentalkomposition „Orient und Okzident“ basiert auf religiösen Texten und versucht eine musikalische Synthese zwischen verschiedenen Fassungen des Credo. Dabei folgen orientalische Glissandi und Tremoli und westliche Harmonien in immer kürzeren Abständen aufeinander, bis die bewegten Tonfelder schließlich in einem gemeinsamen Pianissimo verklingen. Eine andere Sprache spricht „Summa“ für Streichquartett.
Dieses zweite reine Instrumentalwerk des Konzerts erklingt von der Seitenempore herab im wiegenden Rhythmus seiner seriellen Muster und mit einer bei Pärt seltenen zuversichtlichen Heiterkeit. Angeführt von Wolfgang Hasleder an der ersten Violine spielt das kleine Ensemble vorbildlich ausgewogen und klangschön. Neue Ausdruckswerte für die altehrwürdigen fünf Teile der katholischen Messe kreiert die 1990 entstandene „Berliner Messe“, die in der Fassung für vierstimmig gemischten Chor und Streicher aufgeführt wird. Auf ein elegisches Kyrie folgt ein bewegtes Gloria mit den Gesang fragmentierenden, dissonanten Streicher-Akkorden. Im Zentrum steht das Credo im rhythmischen Wellengang seiner zweigeteilten Stimmen. Ein ruhiges, glaubensgewisses Sanctus und ein gleichsam himmlisches Agnus Dei in ausgesprochen hoher Lage beenden die eindrucksvolle, ausgesprochen homogen und differenziert gesungene Aufführung. Ungewöhnlich genug war die Aufstellung der 22 Sänger und Sängerinnen in scheinbar bunter Mischung aller Stimmen. Bei den großen Abständen voneinander gab es kein Verstecken im Tonraum des Nachbarn. Jeder sang für sich allein und alle gemeinsam erzeugten überwältigende Töne. Die reichten von der kontrastvoll-energischen Lobpreisung im „Bogoroditse Djevo“ über den mäandernden Sprechgesang im „Which was the Son of“ und das liebliche, vielstimmige Magnificat bis zum etwas grellen Ausbruch des Doppelchors in „O Spross“ aus den sieben Magnificats-Antiphonen. Das überaus anspruchsvolle Programm wurde vom Neuen Kammerchor Potsdam mit hervorragender Gesangsstärke, klarer Artikulation und geschmeidiger Intonation gemeistert. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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