Kultur: Askese und Lebenslust
Kontrastreiches in der Friedenskirche
Stand:
Versenkung und Lebenslust, geistliche Verklärung und virtuoser Übermut, Ricercar Consort und Modo Antiquo: Zwei Konzerte im Rahmen der Musikfestspiele am Wochenende, die kaum kontrastreicher hätten ausfallen können. Den Auftakt in der Friedenskirche gab das Ricerca Consort unter Leitung von Philippe Pierlot mit geistlicher Musik. Zuerst „Kyrie“ und „Gloria“ aus der frühen h-moll-Messe, mit der sich Johann Sebastian Bach 1733 nach dem Tod von Friedrich August I. in Dresden um den Titel des Hofkapellmeisters bewarb.
Pierlot setzte hier auf Zurückhaltung. Fast schon gedämpft das Spiel seines Ensembles, dem es hier vor allem um Feinheiten ging. Manche musikalische Idee blieb so auf der Strecke, vermisste man die Akzente in dieser Lust an den eher leisen Tönen. Reizvoll und erhebend dagegen dieser delikate Ansatz, wenn sich die Stimmen der Instrumente mit denen der Sänger vermischten. Strahlend schön diese Verschmelzung, der vor allem Sopranistin Maria Keohane einen besonderen Glanz verlieh. Keohane war es auch, die an diesem Abend in dem fünfköpfigen Sängerensemble neben Bassbariton Stephan MacLeod am stärksten überzeugte. Ob Bach oder Jan Dismas Zelenkas Missa purificationis, natürlich und leicht, hingebungs- und kraftvoll ihre Stimme. Mit Zelenkas Missa purificationis gab das Ricercar Consort auch ein wenig die anfängliche Zurückhaltung auf. Mehr Klangfarben, die gleichzeitig für mehr Leichtigkeit zu sorgen schienen.
Leichtigkeit, im hochvirtuosen Sinne, stand dann mit Modo Antiquo unter Frederico Maria Sardelli auf dem Programm: „Venezianische Grüße“ von Vivaldi und Pisendel. Zum Auftakt eine Premiere: das Konzert in A-Dur für Violine von Vivaldi, erst vor wenigen Monaten im Dresdener Archiv entdeckt. Als Solist an der Geige: Anton Steck. Hinterließ der erste Satz hier noch einen leicht unentschlossenen Eindruck, nahm das Ganze dann entsprechend Fahrt auf. Für Sardelli, der Instanz in Sachen Vivaldi, sind die Kompositionen seines Landsmannes reinste Feuerwerke. Entsprechend lässt er auch sein Ensemble agieren: kraftvoll und treibend, akzentuiert und jubilierend. Und obwohl Sardelli, dessen Dirigieren fast schon einer tänzerischen Choreografie gleicht, gnadenlos zupackt, stimmt hier fast jedes Detail. Und Anton Steck? Der stürzte sich mit seiner Barockvioline von Jacobus Stainer aus dem Jahr 1558 mit Lust und virtuoser Wildheit in diese Feuerwerke à la Modo Antiquo. Was für ein Ton! Was für eine Technik! Welche Hingabe und was für ein Genuss! Drei Zugaben noch und danach Massenauflauf an dem kleinen CD-Tisch vor der Friedenskirche. Dirk Becker
Dirk Becker
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