Kultur: Assoziationen statt Erklärungen Walter Libuda stellt
im Alten Rathaus aus
Stand:
Das Auge sucht, verliert sich in den üppigen Farben, bestaunt die dichtgefügte Formwelt in den Ölbildern, Grafiken, Keramiken und Plastiken des Malers Walter Libuda. Doch es findet keinen Halt. Nirgends eine wirkliche Verbindlichkeit, Hilfe auch nicht durch die Bildtitel, die eher verwirren: wie „Hannibal im Keller“ oder die Serie „Sieben Tage – Eine Woche“, worauf eine gedrungene Gestalt im Sessel verschiedene Situationen des Alltags durchlebt. Eine andere zeigt fast provokativ einen „Schuh“ in verschiedenen Farben und „Haltungen“.
Im anderen Ausstellungsraum des Alten Rathauses begegnen dem Besucher dann abenteuerliche Skulpturen aus Bronze, Keramik oder anderem Stoff, mal größer, mal kleiner, die ob ihres üppig geratenen „Formbewusstseins" schier aus den eigenen Nähten platzen: „Ausleger“, „Mutter der Lokomotive“, „Ganter-Vierbein“.
Walter Libuda, Jahrgang 1950, einst Meisterschüler von Bernhard Heisig, hat dank des hiesigen Forums Bildender Kunst seit Sonntag seine große Personalausstellung in Potsdam bekommen. Für den Besucher heißt das zuerst einmal mächtig „Verwirrung“, denn weder sprechen seine Bild- und Formschöpfungen wirklich „eindeutig“ für sich, noch helfen Titel wie „Fischschlucker“ weiter, denn was man auf diesem Bild sieht, ist garantiert nicht das, was der Maler „meint“. Im Gegenteil, sie lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters eher weg von der geliebten Farbvielfalt, weg von der frei erfundenen Formsprache, und zwar dorthin, wo Libuda sie vermutlich hergeholt hat: aus seinem Bewusstsein.
Er ist ein Mann der Ambivalenzen: Möglicherweise ist ihm die Welt zu konkret, dass er lieber mit ihr spielen mag: Er ist wohl ein Spieler, aber kein Hasardeur, ein Mann der Formen mehr als einer des schönen Details. Er verleugnet auch die Moderne nicht, die ihn nährt, er malt also „mehr nach dem eigenen Bewusstsein" als „nach der Natur", was die Menschen oft genug zu Schemen oder bloßen Signaturen macht.
Nicht uninteressant, sollte man sich auf solche Sachen einlassen? Na klar, schaden kann es nicht, einen gestandenen Maler in seinen unitären Werken zu treffen, die nicht gerade zu den anschaulichsten unter der Sonne gehören. Wie würde man seinen Werken „o. T.“ begegnen? Erklärungen zwecklos – eigene Assoziationen erwünscht! Jedenfalls ist seine unruhig-expressive Darstellungsart schon seit Jahren immer mehr von „der Natur“ zurückgewichen, hin zu freien Formen, zu einem geistigen Freiraum, dahin man ihm folgt, oder nicht. Die Materialdichte verhindert oftmals den Durchblick: Man sieht in dem plastischen Werk „Kontinente wandern“ nichts entsprechendes, die braundunkle Grafik „Dreilinden“ enthält mehr Struktur als Verständnis. Viele Arbeiten sind geradezu vollgestopft mit Sujet-Fragmenten, mit Signen oder freien Formen, welche wie Schlüssel wirken, die man nicht hat.
Vielleicht will der vielbeschäftigte Künstler auch gar nicht verstanden sein, vielleicht hilft auch die Begleitveranstaltung mit der Kunsthistorikerin Katrin Arrieta am 9. November weiter. Der sehenswerten Ausstellung ist auch kein eigener Katalog beigegeben, vielmehr kann der Besucher zwischen sieben Monographien wählen. Nicht umsonst steht in dem Buch „Land in Sicht“ geschrieben, dass „die Welt in seinen Bildern nicht wieder zu erkennen“ sei. Damit hat der Ausstellungsgast in jedem Falle zu rechnen, wenn er ins Alte Rathaus geht. Und wird, in Libuda, garantiert ein Stück von sich selber wiedererkennen... Gerold Paul
9. November, 20 Uhr: Walter Libuda im Gespräch mit Kunsthistorikerin Katrin Arrieta, Moderation Ute Samtleben. Geöffnet bis 14. Januar 2007, Di - So, 10 - 18 Uhr
Gerold Paul
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