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Von Gerold Paul: Assoziationsreiche Wasserspiele

Es ist ein ganz eigenes Welttheater, das der Künstler Egon Wrobel auf dem Pfingstberg präsentiert

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Glas, Keramik, Emaille – all das irdene Zeug bleibt bis zum Ende der Welt, denn weder Feuer noch Wasser können ihm mehr etwas anhaben. Denn was aus Feuer ist, kann durch Feuer zwar zerstört werden, geht aber nicht verloren. So ganz stimmt also die überlieferte Formel „Phoenix aus der Asche“ nicht, auch wenn der bekannte Keramiker und Schmuckgestalter Egon Wrobel sie zum Leitmotiv seiner Jubiläumsausstellung auf dem Pfingstberg macht, die am Wochenende im Beisein des Künstlers eröffnet wurde.

Im ganzen Belvedere verteilt, bilden seine „Keramikobjekte“ bis in den Oktober hinein eine so reizvolle wie anregende Kulisse zum Entdecken, Schauen, und, ja, auch zum Denken. Der Potsdamer Kunst- und der Pfingstbergverein haben keine Mühe gescheut, einem der „führenden Keramikplastiker Deutschlands“ zu seinem 70. Geburtstag ein möglichst weites Feld zu bereiten, zumal er mit einem beträchtlichem Verehrungs-Potenzial für abgelegte Epochen ausgestattet ist, wie ein großer Teil seiner ausgestellten Arbeiten zeigen.

Wenn er da beispielsweise von einer Preußenprinzessin erzählt, die ihm für eine Plastik mit Eisvogel auf dem Kopf im östlichen Treppenaufgang Modell gesessen haben wird, so tut er es schwärmerisch. Zeigt er das „Haus des Tragischen Poeten“, zitiert er Pompeji, oder er berichtet anhand kleinerer Skulpturen im Römischen Kabinett von einer wiederentdeckten Lasurtechnik der uralten Ägypter. Vieles hat man ja damals durch das Feuer geadelt.

Gleich hinter dem Tore wird der Besucher dann einer merkwürdigen Inszenierung ansichtig. Auf eisernen Säulen scheint im Weiher ein ganzer Hofstaat zu wässern, Preußens Hofstaat natürlich in leicht barocker Gestalt. Egon Wrobel hat nichts Wichtiges ausgelassen. Klar, der Monarch gehört immer dazu, Pomona, ein gehörnter Bacchus, eine rote und eine lila Schleife, dazu Engel, Libellenkugel und Phoenix, alles schärfstens bewacht von Rambo, dem Schlosshund. Falls das zwei Meter tiefe Becken im Innenhof des Belvederes richtig voll ist, könnte man mit einem Anflug von Bosheit auch behaupten: Diesem Hofstaat steht das Wasser wohl bis zum Halse!

Spätestens jetzt merkt man, dass der „Keramikplastiker“ nicht nur Humor hat, er ist auch ein Poet. Für Tiefgang sorgt nicht nur der kunsthistorische Rückgriff auf alte Epochen, auch seine assoziationsreiche Sprache, die er in „Objekte“ zu verwandeln scheint. Sein „Gefäß mit Hund“ trägt eine Zinnenkrone, außendran einige Silhouetten – all dies erzählt jedem Betrachter seine eigene Geschichte. Silhouetten auch an den Kanopen im Treppenaufgang zu den Pegasus-Figuren. Doch diese Kanopen bewahren nicht wie im alten Ägypten die Eingeweide der Toten. Der Künstler Wrobel hat in ihnen seine Erinnerung an die verstorbene Gefährtin, die Gräfin Stolpowa aufbewahrt.

Für „Cave Canem“ und „Kleiner Friedhof“ im Römischen Kabinett braucht es dann ein ruhiges Auge, erstaunlich wie der Künstler wichtige Dinge auf kleinstem Raume verdichtet. Übrigens nimmt er die Kunde, wonach „antike Skulpturen“ immer farbig bemalt worden sind, beim Wort. Sein „Casanova“ ist sogar wie mit Knutschflecken übersät!

Man muss sich diese Ausstellung wirklich erlaufen, bis zu den gemauerten Trägern hinterm Bassin, wo unsichtbare Wächter wachen. Nur ihre Speere aus Ton sind zu sehen, und gewisse ägyptische Zeichen, für die Magie. Auch der untere Turmgang ist in die Ausstellungskonzeption integriert. Hier hat sich nicht nur Wrobels geschriebenes Curriculum versteckt, man findet auch Nachzeichnungen alter venezianischer Kacheln aus dem 16. Jahrhundert, die irgendwann als gebranntes Motiv auftauchen. Daneben eindrucksvoll stilisierte Kopfplastiken wie den „Schwarzen Engel“, einer mit verhülltem Gesicht und Sehschlitz, die bunte „Kopfmaske“ mit geheimnisvoller Bezüglichkeit zu Egon Wrobel selbst.

Diese Ausstellung ist reich, denn sie gibt Reichtum retour. Mal steht man vor archaischen Formen urgrauer Zeiten, dann grüßen die preußischen Hofscharen samt ihrer Spiegelbilder aus dem Wasser herüber, mal spielt diese Kunst mit sich selbst, mal hat sie vor, recht viel zu bedeuten. Sichtbares kokettiert mit Unsichtbarem, Farbe mit Form, Phantasie mit schnöden, vielleicht preußischen Realitäten. Aber ob nun antik oder preußisch, ist letztlich völlig egal. Zwar ist nicht jeder Wrobel schön, jeder aber ein ganz weites Feld zum Assoziieren. Das Belvedere spielt diesen Reigen mit, als Hintergrund für Wrobels Welttheater, als Ort der freien Phantasie, als vorbestimmte Vergangenheit, die wie Phoenix aus der Asche Gegenwart wird, die alleinige Zeit.

Die Ausstellung „Phoenix aus der Asche“ ist bis zum 4. Oktober im Belvedere auf dem Pfingstberg, täglich von 10 bis 20 Uhr, zu sehen. Der Eintritt kostet zwischen 3,50 und 1,50 Euro. Begleitend zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen

Gerold Paul

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