Kultur: Atemsicher
Ramón Ortega Quero und die Kammerakademie
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„Zu diesem Instrumente wird viel Gefühl und besonders die feinste Lenkung des Hauchs erfordert“, weiß Musikästhetiker Christian Daniel Schubart über die Oboe zu berichten. „Wer nicht etliche Takte hindurch Meister von seinem Atem ist, wer den geringsten Schaden an seiner Brust leidet, der wage sich ja nicht an die Hoboe.“ Denn dann klinge sie vor allem in der Tiefe „gänsemäßig“. Und auch Musikinstrumentenkundler Curt Sachs bescheinigt dem Doppelrohrblattinstrument einen „sehr scharfen, mitunter geradezu quiekenden Klang“. Werde sie jedoch richtig geblasen, sei ihr Ton dem der menschlichen Stimme nahe. Nach mancherlei baulichen Veränderungen, so Sachs, ist sie „befähigt, in Kammer und Orchester einzutreten und an bevorzugter Stelle am Musikleben des Bachzeitalters teilzunehmen“. Eine kürzlich erschienene CD-Einspielung des Genuin-Labels hört sich in jener Epoche um, unterstützt von einer bekannten Autostadt in Wolfsburg mit ihrem Festival „movimentos“, das sich auch der Förderung junger talentierter Künstler verpflichtet fühlt. Im speziellen Fall ist es Ramón Ortega Quero, Solooboist im Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, der sein Können auf einer Silberscheibe innerhalb dieser „movimentos edition“ vorstellt.
Eigentlich wollte er ja lieber Klavier spielen als Oboe blasen, doch mit acht Jahren fing er an, den Atem und andere Erfordernisse zu trainieren. So erfolgreich, dass er 2007 beim renommierten ARD-Wettbewerb einen der selten vergebenen 1. Preise gewann. Übrigens gehört er zu jener nicht eben häufigen Spezies von Musikern, die gleichermaßen als Solist und Orchestermusiker wirken wollen. Was natürlich die Qualität des Zusammenspiels wesentlich befördert. Auf der Silberscheibe kann man eindrucksvoll erleben, wie er mit der Kammerakademie Potsdam unter konzertmeisterlicher Koordination durch Peter Rainer bei der Wiedergabe von barocken Oboenkonzerten ein Herz und eine Seele ist.
Die wenigsten davon sind original, sondern umgeschriebene Geigen- und Flötenkonzerte. Johann Sebastian Bachs Werke eignen sich gut dafür, besonders sein a-Moll-Violinkonzert BWV 1041, das er später aufs Cembalo überträgt. Kürzlich gab es im Potsdamer Schlosstheater sogar eine Variante für Mandoline zu erleben. Nun also die Adaption für Oboe. In den schnellen Sätzen gibt es – herrlich gelöst, lebendig und ziemlich zügig musiziert – kunstvolles kontrapunktisches Spiel zur Geistesergötzung zu genießen. Zur Freude des Herzen gerät dagegen das in pastoraler Innigkeit ausgebreitete Andante. Des Solisten biegsamer, gerundeter und warmer Ton, erzeugt mit ebenmäßigem und schier endlosem Atem, ist in allen Beiträgen absolut schärfefrei, kraftvoll und weich, voller innerer Hingabe zu erleben. Kurzum: er spart nicht mit dem Ausdruck von Gefühlen. Nicht beim Vortrag des aus einer endlosen Melodie bestehenden Largo aus dem Konzert BWV 1056, nicht im ebenfalls oft umgearbeiteten d-Moll-Opus von Bachsohn Carl Philipp Emanuel. Ungestüm und direkt geht es in ihm zu. Von subtilen Regungen und unerwarteten Gefühlsumbrüchen ist man da in Bann gezogen. Und im letzten Satz scheinen die Elemente gewittergleich entfesselt – Sturm und Drang eben. Davon ist Patenonkel Georg Philipp Telemann mit seinem originalen Konzert für Oboe d’amore noch weit entfernt. In seinem schlichten und unterhaltsamen Duktus verlangt es nach musikantischem Zugriff. Ramón Ortega Quero und die Musiker bleiben der A-Dur-Vergnüglichkeit nichts schuldig. Peter Buske
Peter Buske
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