Kultur: Atmosphärische Gespinste
Personalausstellung von Barbara Raetsch im Alten Rathaus wird am Sonntag eröffnet
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Der von den Ausstellungsplakaten einladend leuchtende sonnenblumengelbe Persiusspeicher im quadratischen Bildformat ist genau genommen ein Sonderling. Während er seine Entstehung im vergangenen Jahr als einziger einem konkreten Auftrag verdankt, gehen die reihum gezeigten Bilder ganz und gar auf die Vorliebe der Malerin für noch geschichtsträchtigere Zeugen Potsdamer Baugeschichte und für die malerische Eroberung von Landschaftsräumen zurück.
Wenn sich am kommenden Sonntag die Pforten des Alten Rathauses für die erste Personalausstellung der Potsdamer Malerin Barbara Raetsch an diesem Ort öffnen, dann würdigt das Potsdam Forum ein Jahr nach ihrem 70. Geburtstag das Werk einer Künstlerin, die in dieser Stadt seit über 30 Jahren lebt und arbeitet.
In der Auswahl der insgesamt rund 40 Ölgemälde, die Barbara Raetsch für die Ausstellung getroffen hat, spiegelt sich ihre malerische Entwicklung der letzten 25 Jahre wider. Ihre Ansichten verwitterter, dem Verfall preisgegebener Hausfassaden der Potsdamer Altstadt und andere markante Augenblicke der Vorwende- und Wendezeit hat die Künstlerin in einem Raum zusammengefasst. „Abrißhaus“, „Totenhaus“, „geräumt“, „ausgebrannt“ hat die Malerin ihre Porträts der geschundenen Häuser getauft. Blätternder Putz, offene Dachstühle und immer wieder das aus dunklen Höhlen starrende nackte Fensterkreuz ziehen den Blick der Malerin seit vielen Jahren magisch an. Ohne Pathos und Anklage rückt sie den stummen Zeugen des oft nicht mehr aufzuhaltenden Verfalls mit Skizzenblock, manchmal auch gleich mit Leinwand und Staffelei auf den Leib.
Vor ihren frühen Bildern, die Barbara Raetsch zum Teil jahrelang nicht mehr betrachtet hatte und anlässlich ihrer Ausstellung wieder zum Vorschein gebracht hat, holen sie die Erinnerungen wieder ein. Zu jedem Haus, zu jedem Bild weiß sie eine andere Geschichte zu erzählen. Auch, dass die alles andere als beschönigenden Bilder trotz ihres kritischen Untertons bereits damals vereinzelt ausgestellt wurden und offenbar keinen öffentlichen Anstoß erregten. Durch ihre sehr persönliche Bestandsaufnahme wird die Malerin für uns heute zur malerischen Chronistin einer schon wieder Vergangenheit gewordenen Zeit.
Dem Thema innerlich treu geblieben, hat sich Barbara Raetsch mit der Zeit immer mehr von der gegenständlichen Malweise gelöst. Die vier gezeigten Bilder des Zyklus“ „Nacht“, in denen die Künstlerin Hell und Dunkel, Licht und Schatten in scharfen Kontrasten gegeneinandersetzt, offenbaren diesen malerischen Prozess der Abstraktion. Die markanten Fensterkreuze der Hausruinen stilisiert die Malerin in den Bildern „Kreuze“ I und II aus dem Jahr 2002 zu symbolhafter Brisanz.
Der Tod ihres Mannes Karl Raetsch zwei Jahre darauf wird für Barbara Raetsch Zäsur und Aufbruch zugleich. Im Durchleben von Abschied und Trauer ermächtigt sich die Farbe Rot ihrer Bilder und verhilft ihr zu neuem Ausdruck. Dem Kloster Lehnin und seinem Hospiz hat die Malerin in den in kräftiges Rot getauchten Bildern „Torkapelle“, „Weg zum roten Haus“ und „Mohnfeld“ ein Denkmal gesetzt. In ihrem Empfinden haftet diesen roten Bildern etwas Sakrales an.
Die monochrome Malerei, die Barbara Raetsch mehr und mehr für sich entdeckt hat, entspringt aber auch ihrer Landschaftsmalerei. Selbst wenn die „Kornfelder“, „Hügel“ und „Sommerlandschaften“ der letzten Jahre nur noch entfernt an Landschaften erinnern. Aus der Faszination für das Licht heraus hat sich die Malerin die Farbe Gelb zur Verbündeten gemacht. In ihren gelben Landschaften kommen Himmel und Erde einander manchmal so nahe, dass sich der Horizont in einem atmosphärischen Gespinst von zartem Gelb verliert. Die Raffinesse, mit der die Malerin es versteht, Gelb gegen Gelb zu setzen und eine Stimmung allein durch Pinselduktus und Farbauftrag herauszumodellieren, gipfelt in der Ausstellung in den jüngst entstandenen strahlend gelben „Sonnenblumen“.
Die am 26. August um 11 Uhr eröffnende Ausstellung Barbara Raetsch „Malerei“ im Alten Rathaus endet am 7. Oktober. Öffnungszeiten: Di - So 10-18 Uhr, Eintritt frei.
Almut Andreae
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