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Kultur: Attac! Ein Prinzip Hoffnung

Eröffnung der Globale 05 mit dem Film „Struggle“ im Filmmuseum / Aufgeheizte Diskussion

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Eröffnung der Globale 05 mit dem Film „Struggle“ im Filmmuseum / Aufgeheizte Diskussion Das sitzt man mit seinem Billigpullover von H & M, der in China produziert wurde, in der Kneipe und trinkt Kaffee aus Kolumbien aus Tassen, die in Indonesien hergestellt wurden. Die Globalisierung hat uns in ihren Fängen, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Aber zu welchem Preis? Die Zusammenhänge zu erhellen ist erklärtes Ziel der „globale 05“, dem am Donnerstag Abend im Filmmuseum in Kooperation mit Attac gestarteten Filmfestival. Der chinesische Dokumentarfilm „Struggle“, der mit schnell laufenden englischen Untertiteln (auch das ein Aspekt der Globalisierung) Elend und Hoffnung chinesischer Fabrikarbeiter zeigte, machte deutlich, auf wessen Kosten wir leben. Tausende von jungen Menschen aus der chinesischen Provinz klettern aus einem überquellenden Zug in den Bahnhof von Shenzhen, um in der dort boomenden Industrie einen Arbeitsplatz zu finden. Frühkapitalistische Bedingungen - Arbeitszeiten von halb acht früh bis halb elf abends, ohrenbetäubender Maschinenlärm, keine Sicherheitsvorkehrungen - verwandeln die Hoffnung auf schnelles Geld für viele in ein bettelarmes Krüppeldasein. Porträtiert wurden drei junge Männer, die aufgrund eigener oder fremder Übermüdung den gefährlichen Maschinen eine Hand zum Fraß gaben und nun arbeitsunfähig sind. Ohne Hilfe, ohne Krankenversicherung, ohne Rechte. Nicht ganz! Da gibt es den unermüdlich für eine Entschädigung streitenden Rechtsanwalt, der den Opfern darüber hinaus Unterkunft, Verpflegung und Ideale liefert. So sagten denn auch die Podiumsteilnehmer der anschließenden Diskussion unisono, dass dieser Film Anlass zur Hoffnung gäbe, aber dass er wohl ein zu positives Bild der aktuellen Situation Chinas zeichne. Professor Hermann Knüppel von der Fachhochschule moderierte freundlich und mit Sympathie für die Anliegen von Attac. Ungewöhnlich viele junge Menschen, aufgeheizte Stimmung, Zwischenrufe und kämpferische Parolen prägten die Atmosphäre. Ausgemachter „Feind“ des Publikums war recht schnell der schlecht vorbereitete Werner Jann, Politikwissenschaftler an der Uni Potsdam und Mitglied der Hartz IV-Kommission. Er hatte es schwer, die von Pedram Shahyar in Dutschke-Manier vorgebrachten Schlagwortargumente gegen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe: „massive Verarmung“, „Enteignung“ und „Entrechtung“ zu widerlegen. Intellektuell brillant und durch langjährige TAZ-Erfahrung abgeklärt, immer wieder lachend, machte Ulrike Herrmann den weitaus besten Eindruck und wusste auch am differenziertesten zu argumentieren. Die Grundlage von Demokratie sei die Vollbeschäftigung, die in der Bundesrepublik aufgrund zweier verlorener Weltkriege und vorheriger massiver Abwanderung der Arbeitskräfte in die neue Welt erreicht worden sei. Nun stehen wir vor einer komplett veränderten Situation, eine Abwanderung nicht mehr möglich, da die eine Welt vor Arbeitskräften nur so wimmelt, andererseits aber die entsprechende Produktivität, zumal in Deutschland, fehle. Ein Skandal, so wieder alle einig, die Steuerpolitik der Regierung, die aus Angst vor weiterer Industrieabwanderung den großen Firmen wie BASF oder Daimler Chrysler Steuerfreiheit gewähre. Die Komplexität der globalisierten Problemlage ist mit ein Grund dafür, dass man lediglich Missstände konstatierte, aber nur Zipfelchen von Antworten fand. Dass „eine andere Welt möglich“ sei, wie Jonas Ulrich von Attac Potsdam eingangs kühn fordernd ausrief, wurde zumindest durch diese Diskussion nicht bewiesen, aber als Utopie formuliert. Das Prinzip Hoffnung lebt. Lore Bardens

Lore Bardens

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