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Kultur: Auch das Grüne Gitter

Hesse-Team um Andreas Kitschke stellte Monographie über den Hofarchitekten dreier Könige vor

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Zuerst sollte nur eine Broschüre „Hesse in Potsdam“ erscheinen, um den Baumeister Ludwig Ferdinand Hesse (1795 - 1876) der Vergessenheit zu entreißen. Darauf hatten sich Mitte der 90er Jahre Stadtkonservator Andreas Kalesse und Andreas Kitschke mit der Ururenkelin des Architekten, Luise Lilli Hesse, verständigt. Doch das Projekt wuchs sich aus. Die Forschungen des so genannten „Hesse-Teams“, vornehmlich gebildet aus Kunsthistorikern der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, brachten eine derartige Fülle neuer Erkenntnisse, dass statt der Broschüre eine 440-seitige, von dem Fotografen Hans Bach prachtvoll bebilderte Monographie entstand.

Daran trug auch Rudolf Winterstein „Mitschuld“. Der Leiter des Deutschen Kunstverlags forderte, auch Hesses Arbeiten in Berlin einzubeziehen. Dies verzögerte das Erscheinen des Bandes um fast zwei Jahre und führte temporär zu Finanzierungsschwierigkeiten, für deren Lösung sich Luise Lilli Hesse vehement einsetzte. Nach dem brandenburgischen Kulturministerium wurden in den „Freunden der preußischen Schlössern und Gärten“, der Stiftung Preußische Seehandlung, der Verwertungsgesellschaft Wort und nicht zuletzt aus dem Kreis der Nachfahren Hesses weitere Sponsoren geworben.

Ihnen dankte Luise Lilli Hesse, als am Donnerstagabend die Monographie im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) ihre Buchpremiere erlebte. Essays über die Biographie Hesses, seine Familie, das Verhältnis zu seiner Kollegen, den Charakter seiner Bauentwürfe folgt die detaillierte Vorstellung von 186 (davon 123 in Potsdam) Bauten, Umbauten, Brunnen, Bänken, Skulpturen, von Möbeln und Innendekorationen sowie Gemälden und Aquarellen. Fast wie sein Lehrmeister Schinkel präsentiert sich Ludwig Ferdinand Hesse als „Universalkünstler“. Neuen Archtitekturströmungen gegenüber zeigte er sich aufgeschlossen, wusste aber im aufkommenden Historismus mit seinen Stilmischungen „stets Maß zu halten“ (Kitschke).

Wer dem Band folgend durch Potsdam geht, stellt überrascht fest, dass die Stadt dem lange Zeit unterschätzten Hofarchitekten der Könige Friedrich Wilhelm III., Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. viele großartige Schöpfungen verdankt. Dafür seien als Beispiele der Winzerberg mit der landschaftlich meisterhaft eingeordneten Turmvilla, das Triumphtor an der Schopenhauerstraße, die wunderschöne blaue Glassäule im Marlygarten, die Marmorbänke an der Großen Fontäne, das Belvedere auf dem Pfingstberg oder die jetzt wiederhergestellte Kirche auf dem Neuendorfer Anger genannt. Das Grüne Gitter – auch das war Hesse! Ein großer Teil der Weinbergstraße wird aus von ihm entworfenen Wohnhäusern für Hofbedienstete gebildet, die durch asymmetrische Anordnung der Baukörper, gedrungene niedrige Türme und säulengeteilte Doppelfenster charakterisiert werden.

Wer die Monographie in die Hand nimmt, wird dem Herausgeber Andreas Kitschke die Anerkennung nicht versagen können. Er hat die schwierige Aufgabe gemeistert, Tausende von Informationen so zu strukturieren, dass sich der voluminöse Band übersichtlich, lesbar und attraktiv zeigt. Für eine 2. Auflage könnte er vor dem gleichen Problem stehen, denn die Hesse-Forschung geht weiter. Während der Buchpremiere im HBPG las Prof. Christian Andree aus dem von ihm wieder entdeckten Briefwechsel des jungen Rudolf Virchow mit seinem Vater. Der später berühmte Arzt, Naturwissenschaftler und Parlamentarier war ein Neffe Hesses und äußert sich unverblümt über das Familienleben und die beruflichen Probleme des Hofarchitekten. Der war schweigsam, ichbezogen, manchmal ein rechter Brummbär und geriet außer sich vor Wut, als seine beiden Söhne (die auch erfolgreiche Architekten wurden) in der Schule sitzen blieben. Hesse war bis zu seiner Todesstunde im Amt. 81jährig starb er am 8.Mai 1876 während einer Baustellenbegehung in Berlin an einem Schlaganfall.

Andreas Kitschke (Hrsg.), Ludwig Ferdinand Hesse (1795 - 1876). Hofarchitekt unter drei preußischen Königen. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin, 68 Euro

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