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Kultur: Auch die Musen waren zufrieden

Ein Klavierabend im Palais Lichtenau

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Nicht nur Polyhymnia und Euterpe schauten am Freitagabend freundlich auf den Steinway-Flügel im Festsaal der Villa Lichtenau in Potsdam. Vor einer erwartungsfrohen Zuhörerschar präsentierten Alexander Untschi und Daniel Lebhardt Klavierwerke aus Klassik und Romantik. Dass der Abend mit stehenden Ovationen enden würde, konnten freilich selbst die für Poesie, Tanz und Musik zuständigen Musen, deren Marmorstatuen den Saal schmücken, nicht vorhersehen.

Wie das Palais Lichtenau wird auch Joseph Haydns 49. Klaviersonate in Es-Dur von klassizistischem Esprit geprägt. Sie ist ein Meisterwerk aus der ersten Blütezeit der Klaviermusik, dem Alexander Untschi reiche Klangfülle verleiht. Mit kraftvollem Spiel leuchtet er die Dur-Moll-Nuancen und die stürmischen Arpeggien im zweiten Satz aus. Zum Finale erklingt ein sprudelnd-heiteres Menuett in freier Rondoform.

Von überraschend ähnlicher Faktur ist Ludwig van Beethovens aus der gleichen Epoche stammende Sonate D-Dur op. 10 Nr. 3, wenn auch auf charakteristische Weise ausgebildet und längst ein Favorit für Liebhaber der Beethoven’schen Klaviermusik. Im eröffnenden Presto-Satz pflügt Alexander Untschi robust durch Oktaven und Synkopen, nur unterbrochen von den abrupten Pausen, die Beethoven diesem Satz wie „Freiheitssignale“ eingeschrieben hat. Tiefsinnige Tragik prägt den langsamen Satz, der nach einer pathetischen Coda leise pochend ausklingt.

Auf so viel plastische Ausdrucksfülle folgen ein mildes Menuett im Scherzostil sowie ein verspielt kurioser Rondosatz voller geistreicher Erfindungen und einem bemerkenswert leichten, unprätentiösen Finale. Erfreuter Beifall belohnt Alexander Untschis lebhafte Darbietung. Nach der Pause tritt mit Daniel Lebhardt, einem Teilnehmer der diesjährigen Edwin-Fischer-Sommerakademie in Potsdam, eine andere Pianisten-Generation auf. Passend zu den Werken von Johannes Brahms und Franz Schubert verändern sich Tonfall und Klang.

Der 24-jährige Ungar bringt das introvertierte, schmerzlich sublimierte Ambiente der Drei Intermezzi aus Brahms’ Spätzeit wohldurchdacht und ausbalanciert, mit reinem Ton und schönen Klangbögen zum Ausdruck. Auch seine Interpretation der monumentalen Sonate B-Dur von Franz Schubert findet begeisterte Zustimmung. Trotz seiner Jugend gelingt es dem Pianisten, die „dunkle Seite des Glücksanspruchs“ und die „Obsessionen, Ängste, Gefühle von Verlorenheit, Öde und Ausgesetzsein“ (Peter Gülke) in diesem Schubert’schen Musik-Vermächtnis hörbar zu machen. Lyrisch und quecksilbrig, gesanglich und balladenhaft erklingt der überbordend gedankenvolle erste Satz.

Reiche Klangfacetten, dunkle Akkorde des Choralthemas führen in weit entfernte, kaleidoskopische Tonwelten. Auf das silbrige, federnde Scherzo folgt der furiose Finalsatz mit tollem Aufruhr, vehementen Steigerungen und kühnen Ausbrüchen. Musikalische Erfindungsgabe und grandiose Interpretation vereinigen sich dabei in glücklicher Symbiose. Da können selbst die Musen im Festsaal hochzufrieden sein, denn mit diesem fulminanten Konzert wurde ihnen alle Ehre gemacht. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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