Kultur: Auch ohne Lichterglanz Glanzstücke
Käthe Klappenbach betreut 1500 Kronleuchter und andere historische Beleuchtungskörper
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Käthe Klappenbach betreut 1500 Kronleuchter und andere historische Beleuchtungskörper Von Erhart Hohenstein Im Licht der Kronleuchter erstrahlende Säle, in denen der König ein glanzvolles Fest an das andere reiht – ein märchenhaft schönes Bild. Aber eben ein Märchen, denn derart prachtvoll wurden die Potsdamer und Berliner Schlösser sehr selten illuminiert. Meist wurden die herrschaftlichen Räume nur bescheiden durch Wandleuchten und Tischleuchter erhellt. Und auch die großen Lüster, mochten sie selbst 50 Kerzen haben, verbreiteten keineswegs gleißendes Licht. Ihre Helligkeit entsprach etwa der von zwei 30-Watt-Glühlampen, wie wir sie heute verwenden. Den Schein der Kerzen reflektierten und verstärkten die bis zu 200 Stücke des gläsernen oder Bergkristallbehangs, dazu die polierten Fußböden, Seidentapeten, Bronzen und zahlreiche Spiegel an den Wänden. Warum also hat Friedrich II. Unsummen für Kronleuchter ausgegeben, beispielsweise 1768 für einen mit Bergkristall behangenen 60 000 Livre, während ihn zwei Skulpturen von Meister Pigalle nur 16 000 Livres kosteten? „Die Lüster waren nicht schlechthin Beleuchtungskörper, sie dienten als kostbarer Raumschmuck und repräsentierten Reichtum und Macht des Königs“, beantwortet Käthe Klappenbach diese Frage. Die promovierte Museologin erforscht und betreut seit zwei Jahrzehnten die etwa 1500 historischen Beleuchtungskörper der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Von einem Kronleuchter aus der Mitte des 17. Jahrhunderts bis ins Jahr 1810 hat sie die Stücke in einem Bestandskatalog erfasst, nun setzt sie diese Arbeit bis zum Ende der Kaiserzeit 1918 fort. Es ist eine mühevolle Arbeit, denn so kostbar die Lüster und Leuchten auch waren, sie galten als Gebrauchsgegenstände und sind unzureichend dokumentiert. Die Schlosskastellane führten sie oft nur exemplarisch auf, ihr Ursprung und ihre Geschichte blieben im Dunkeln. Aus den spärlich vorhandenen Akten, Rechnungen, seltenen zeitgenössischen Abbildungen, Briefen der mit dem Erwerb betrauten königlichen Agenten findet Käthe Klappenbach zumindest für Spitzenstücke dennoch häufig die richtige Spur. Für die Museologin war es eine Sternstunde“, als sie beispielsweise für einen Leuchter aus dem Berliner Stadtschloss (jetzt in Charlottenburg) nachweisen konnte, dass er nicht wie angenommen aus dem 19. Jahrhundert stammt, sondern bereits 1647 durch den flämischen Meister Elias Eliassen Vlieth angefertigt wurde und damit der älteste der Sammlung ist. Hilfreich sind die Verzeichnisse der Lichtkammern. Sie verraten beispielsweise, dass unter Friedrich Wilhelm I. für der „Königin Gemächer“ wöchentlich fünf große und zehn kleine weiße, acht große und zehn kleine gelbe Kerzen, drei große Talglichter und ein halber Liter Lampenöl ausgereicht wurden Aus der Form der bronzenen, feuervergoldeten oder versilberten Gestelle und ihrer Oberflächenveredelung, vor allem aber Form und Schliff des Behangs (Pendeloquen) lassen sich ebenfalls Schlüsse auf die Herkunft ziehen. Selbst mineralogische Untersuchungen werden angestellt. Auf diese Weise gelang es Käthe Klappenbach zum Beispiel, für Lüster aus der Mitte des 18. Jahrhunderts über den Lieferanten aus Mailand bis zu den Klüften im schweizerischen Wallis vorzudringen, wo der Bergkristall für den Behang gebrochen worden war. Solche tief gehenden Untersuchungen sind allerdings nur möglich, wenn die Lüster in ihre Hunderte von Einzelteilen zerlegt werden. Das übernimmt in der Stiftung Elektromeister Michael Borowski, der auf die Restaurierung historischer Beleuchtungskörper spezialisiert ist. Das Auseinandernehmen der Lüster übten früher des öfteren auch die Frotteure genannten Bediensteten, denn die Kerzen tropften und rußten, so dass Gestell, Kerzentüllen und Behangteile immer wieder gereinigt werden mussten. Beim Zusammensetzen jedes Stück genau an die richtige Stelle zu bringen, ist ein kompliziertes Puzzlespiel und gelang nicht immer hundertprozentig. Dadurch und durch Auswechseln oder Verlust von Peneloquen veränderten die Leuchter ihr Aussehen. Kastellane und Frotteure werden nicht böse gewesen sein, als ab 1887 im Berliner Schloss und 1905 bis 1911 im Neuen Palais (mit Ausnahme der Friedrichswohnung) die Elektrizität Einzug hielt. Kaiser Wilhelm II. war daran so stark interessiert, dass er die benötigten Elektriker sogar vom Militärdienst freistellte.1905 betreuten die zwei Lampiers im Neuen Palais 448 „elektrische Flammen“, 1911 waren es 2682. Dennoch blieben noch 115 Gaslaternen als Außenbeleuchtung, 222 Öl- und 94 Spirituslampen, meist in den Treppenhäusern, erhalten. Wenn Käthe Klappenbach zur Sonderführung ins Neue Palais einlädt, lässt sie etwa 1100 der „elektrischen Flammen“ aufstrahlen. In Sanssouci müssen die Besucher darauf verzichten, denn hier sind wie in anderen Schlössern die Kronleuchter nicht elektrifiziert worden. Auch eilt der Kastellan nicht mehr mit der Leiter herbei, um die Kerzen anzuzünden und später mit einer hütchenbesetzten Stange wieder zu löschen. Doch selbst ohne Lichterglanz bleiben die Lüster wahre Glanzstücke. Leider sind die (Nach)Kriegsverluste bei den historischen Beleuchtungskörpern besonders groß, so aus dem Marmorpalais, das nach dem Krieg als sowjetisches Offizierskasino diente. Von Friedrichs Lieblingsleuchter im Bronzesaal des Potsdamer Stadtschlosses bis zu neun kostbaren Stücken, die der König zwischen 1767 und 1770 für Königswohnung und Spiegelgalerie im Neuen Palais ebenfalls in der französischen Hauptstadt erwerben ließ, reicht die lange Verlustliste. Eine Wiederbeschaffung erscheint so gut wie aussichtslos. Um so wichtiger ist deshalb, die vorhandenen Lüster zu pflegen und zu restaurieren, im Depot lagernde Reste wieder zu kompletten Beleuchtungskörpern aufzubauen, wie es unlängst für die Laterne aus dem Vestibül des Marmorpalais gelang, und den Behang originalgerecht zu ergänzen. Er kam zu Friedrichs Zeiten vorwiegend aus der 1737 begründeten Zechlinerhütte. Für böhmische Waren bestand bis in die Zeit Friedrich Wilhelms II. Einfuhrverbot. Das ist heute ganz anders. Kamenický Senov (Steinschönau), in dem etwa 1000 Beschäftigte Kronleuchter und Glasbehang herstellen, ist zu einem wichtigen Partner für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und deren Spezialistin für historische Beleuchtungskörper geworden. Das gilt auch für die Forschung, denn der Ort beherbergt ein Glasmuseum und ist Zentrum der wissenschaftlichen Gesellschaft „LIGHT and GLASS“. Hier findet Käthe Klappenbach Gelegenheit zum Gedankenaustausch mit anderen Experten ihres seltenen Forschungsgebietes.
Von Erhart Hohenstein
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