Von Almut Andreae: Auf all ihren Wegen
Mit der Ausstellung „Plotpoints“ kehrt Franek in der Galerie Kunstraum zurück zu ihren Wurzeln
Stand:
Mit „Plotpoints“ hat die Künstlerin Franek ihre am morgigen Sonntag in der Galerie Kunstraum eröffnende Einzelausstellung genannt, zu der sich außer ihrer Malerei in unterschiedlichstem Format auf Leinwand, Stoff und Tapeten auch ein Paravent und eine Figurengruppe aus farbig patinierter Bronze gesellen. Ein Titel, mehrdeutig und vielschichtig wie die Bildwelt der gebürtigen Potsdamerin. „Plot Points“ stammt aus dem Bereich des Films, der Literatur, und umschreibt eine überraschend eintretende, extreme Wendung des Geschehens. Ein Stilmittel, das aufrüttelt, die Sinne schärft, Wahrnehmung intensiviert. Damit einher geht die offenkundige Lust der Künstlerin an der Inszenierung von Irritation. Dies spiegelt die Ausstellung, die sich ganz auf die künstlerische Entwicklung der letzten drei Jahre konzentriert, eindrucksvoll wider.
Den Auftakt bildet der 2007 entstandene Zyklus „LOVE and HATE“. Motivisch speist er sich aus dem Film „The Night of the Hunter“ von Charles Laughton, ein Schwarz-Weiß-Thriller aus den fünfziger Jahren. Die traumartigen Sequenzen und unheimlichen Erlebnisse des in der Geschichte in einem Boot durch die Dunkelheit treibenden Geschwisterpaares hatten sich der damals halbwüchsigen Künstlerin unauslöschlich eingeprägt. Die unheilvolle Stimmung der Filmvorlage hat für Sabine Franek-Koch, Künstlername kurz Franek, mit faszinierendem Gespür für die Möglichkeiten der Farbe in großformatige Malerei übersetzt. Die suggestive Kraft dieser Bilder weicht in den danach entstandenen Werkgruppen einer gänzlich anderen Qualität. So ist die 2008 entstandene Serie „Trauschauwem“, gemalt mit wasserlöslicher Ölfarbe auf Leinwand, in Gänze aus Grautönen aufgebaut. Schwelgte Franeks Malerei noch unmittelbar zuvor in intensiver Farbigkeit, zeigt sich die Künstlerin in Bezug auf Farbe auf neue Weise wählerisch, abstinent. Wenngleich die Malerin im Gespräch vor ihren Bildern klarstellt, dass Schwarz-Weiß für sie ganz entschieden sehr wohl auch Farbe ist.
In „Trauschauwem“ sorgt indes nicht allein der Sprung innerhalb der Palette für Überraschung. Auch das als Hasenmann und Mädchen auftretende Paar sorgt für eine neue Tonalität. Was sich hinter diesen Begegnungen dieses ungleichen Gespanns tatsächlich verbirgt, bleibt eine Frage der Interpretation. Aus der Sicht der Künstlerin verkörpert der Mann mit dem Hasenkopf „künstlerische Imagination“. Wie auch immer der Betrachter die Identität des Mädchens deuten mag, spielt das Hasenmotiv für Franek schon immer eine tragende Rolle. Entsprechend ist die Hasenfigur in der Ausstellung an den verschiedensten Stellen immer wieder neu und anders zu entdecken. Auch andere Motive – so der Schmetterling, der Schmetterlingsfänger, der Vampir und die Maskerade – ziehen sich mit traumwandlerischer Sicherheit durch das Bildarsenal.
„Es gibt so eine Art Ikonographie, eine Art Fundus von Motiven, die ich immer wieder neu zeige“, erzählt die Malerin. Die Figuren, die sie über Jahre begleiten, tauchen auf aus frühen Erinnerungen und ganz aktuellen Erlebnisse, mischen sich ein ins Bewusstsein und in die Malerei. Wirklichkeit und Imagination, konkrete Symbolik und freie Assoziation paaren sich in immer neuen Konstellationen. Eine neue Spielart ergab sich während eines Spanien-Aufenthalts vor einem Jahr. Da schuf Franek die kleinformatigen Werkzyklen „Lagrimas de torro“ („Tränen des Stiers“) und „Lagrimas del Escorpión“ („Tränen des Skorpions“): Schwarz-Weiß-Malerei auf deutschen Tapeten. Stiere, Knaben, Skorpione und Todessymbole hat die Künstlerin in klarer Formensprache, jedes Zuviel vermeidend, hier in die Fläche gebracht.
Als Rollbild geschaffen wirkt das gezeigte bald neun Meter lange Bild auf Streifentapete wie ein Kompendium der Serie „Trauschauwem“. Einige der Einzelszenen der Serie werden in dieser Simultandarstellung zu einem Erzählstreifen noch einmal zusammengefasst. Immer wieder arbeitet die Künstlerin in ihrer Malerei mit Eigenzitaten – ein Stilmittel, das in der Ausstellung verschiedentlich erkennbar wird. Seit Franek im vergangenen Jahr anfing, an einer neuen, aus „Wallpaper-Paintings“ bestehenden Serie mit dem Titel „Kinderspiele paradiesisch“ zu arbeiten, treibt die Vorstellungskraft der Malerin noch einmal ganz andere Blüten hervor. Auf edelsten Tapeten sind großformatige Papierarbeiten entstanden. Zwischen prachtvollen Blütenranken, paradiesischen Früchten und Tieren schaut man auf Kinder. Jedes von ihnen ist mit einer Waffe beschwert, wohl ohne zu wissen, wie es zu diesem Kriegsgerät kam. Teilnahmslos der Blick, befangen jedes in der eigenen Beziehungslosigkeit. Der Kontrast zwischen Hintergrund und Malerei könnte kaum größer sein. Umso faszinierender die Virtuosität, mit der die Künstlerin beides miteinander verschränkt.
In dem kürzlich entstandenen Monumentalbild „Kinderspiele-paradiesisch 16“ auf Fototapete erobert sich die Künstlerin durch den Einzug ihrer Malerei in die Fotografie einen weiteren Raum. Wie sie aktuell mit den Möglichkeiten umgeht, mit Malerei auf Fotografie zu reagieren und umgekehrt, zeigt sich in der neuesten Serie „Just Kids“. In der Potsdamer Ausstellung wird sie erstmals gezeigt.
Vernissage am morgigen Sonntag, 16 Uhr, in der Galerie Kunstraum, Schiffbauergasse. Die Ausstellung ist bis zum 16. Januar, Mi-So, 12 bis 18 Uhr, geöffnet
Almut Andreae
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: