Kultur: Auf alte Zeiten
Project Pitchfork in der Waschhaus Arena
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Wenn sich Kreise zu schließen scheinen, muss das nichts Gutes heißen. Die überaus produktive Hamburger Band Project Pitchfork jedenfalls, die sich im Zuge ihrer zwanzigjährigen Schaffensperiode vom einst sehr geschätzten Underground-Act zur bald schon recht salonfähigen und dabei kontinuierlich charttauglichen Musikformation mausern konnte, hat die eigenen Ursprünge wiederentdeckt. Wenngleich der Rückblick, die Retrospektive, gerade in randvoll gefüllten Sälen, beim lautstarken Feiern der alten Zeiten gelingen mag, die Bescheidenheit dahinter bleibt doch nicht verborgen.
Besitzt auch das noch aktuelle Project Pitchfork-Album „Dream, Tiresias!“ unverkennbar einen Back To The Roots-Charakter, ging man doch sicher keine Sekunde davon aus, dass die dazugehörige „Club Attack Tour“, die bereits vor einem Jahr startete und in diesem Frühjahr nun fortgesetzt wird, tatsächlich in kleineren, rauchigen Klubs stattfinden könnte. Spartanisch, ja geradezu schlicht wirkte nur die Bühne der Waschhaus Arena, doch tummelten sich davor am Samstag gut 550 überwiegend schwarz gekleidete Fans, die mit mehr oder weniger Engelsgeduld dem quirligen kleinen Sänger der Vorband Heavy Current eine halbe Stunde dabei zusehen konnten, wie der aus Leibeskräften gegen seine eigene Musik anschrie. Hielt sich der Beifall hier noch in Grenzen, so brach die Menge, eine gehörige Zeit später, sofort in Jubel aus, als die fünf Musiker von Project Pitchfork die Bühne betraten. Peter Spilles, Sänger und Kopf der Band, war der anerkannte Star des Abends. Die Kleidung mit Mehl bestäubt und einen blauen Farbstreifen quer im Gesicht, erfreute er alle mit seinem verzerrten, harschen Gesang, darin die kreischenden Eskapaden älterer Tage einem merklichen Grölen gewichen waren. Dramatisch hielt sich indes Gründungsmitglied Dirk Scheuber, wie ein rosiger Struwwelpeter, an seinem Synthesizer fest. Doch weder er, noch der zweite Tastenmann, Jürgen Jansen, schienen an diesem Abend eine Chance gegen den Schlagzeuger Achim Färber und den Gitarristen Carsten Klatte zu haben. Denn nicht selten drohten die elektronischen, den Refrain oftmals tragenden, ja für Project Pitchfork so charakteristischen Klangteppiche einfach zu verschwinden.
Immerhin, der ausgesprochen guten Stimmung tat dieses zeitweilig ins Breiige umschlagende Gemisch keinen Abbruch. Denn die Band hatte wohlweislich auf den Mitsingfaktor gesetzt und dabei neben einigen jüngeren Stücken wie „God Wrote“ oder „Feel“ überwiegend ältere wie „Alpha Omega“ oder ganz alte Hits wie „Conjure“, „K.N.K.A.“ und natürlich das erst in der Zugabe gespielte „Souls“ zum Besten gegeben. Ein durchaus gefalltaugliches Konzept. So war diese enorm druckvolle Gesamtperformance auch eine nostalgische Angelegenheit, eine Reise in die Vergangenheit. Ein Vorschlag zumindest. Denn das Live-Gewand passte nicht immer und die Light-Show blendete stets auffällig, wenn sich die Geradlinigkeit der meisten Songs bisweilen als Fußangel für eine gewisse Langeweile erweisen wollte. Kein noch so lautes Soundgewitter kam dann dagegen an.
Als der Saal bei der letzten Zugabe regelrecht am Überkochen war und sich die Fans nach dem insgesamt fast zweistündigen Konzert wieder ins Freie drängten, überwog wohl die Freude allenthalben über die musikalische Rückbesinnung Project Pitchforks mehr, als die leisen Bedenken ob des (neuen) Auswegs aus diesem Retro-Kreis. Daniel Flügel
Daniel Flügel
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