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Kultur: Auf choreografischer Schatzsuche „Was ist Tanz?“ zur Eröffnung der 1. Kindertanztage

In der ersten Reihe des vollen Saales sitzen kleine Kinder erwartungsvoll auf dem Boden. Sie sind zur Eröffnung der 1.

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In der ersten Reihe des vollen Saales sitzen kleine Kinder erwartungsvoll auf dem Boden. Sie sind zur Eröffnung der 1. Kindertanztage gekommen. Ihnen, so verspricht der Titel des Tanztheaterstückes, soll erklärt werden, was Tanz ist. Wer steife Didaktik befürchtet hat, wird angenehm überrascht. Ausgerechnet mit einem Professor, darf sich das junge Publikum identifizieren, den die Frage, was „choreographisch“ bedeute, ratlos macht. Der Professor (Uwe Preuss) ist erfahrener Schatzsucher und zusammen mit seinem Berater Pino, der Fingerpuppe auf seinem Zeigefinger, unschlagbar. Doch auf der bevorstehenden „choreographischen Schatzsuche“, lässt Pino ihn im Stich. Dafür kriechen vier hilfreiche Gestalten aus Kartons auf der Bühne. Das Problem ist nur, dass sie nicht sprechen. Wie soll einem jemand helfen, der nichts sagt, sondern nur unverständliche Körperbewegungen zu Lauten oder Geräuschen vollführt? Der erste Tag der Suche geht ziemlich erfolglos zu Ende. Die vier Gestalten ziehen sich in ihre Kartons zurück. Während der Professor schläft, öffnen sich die Fenster der Wohnkartons und warmer Lichtschein fällt hinaus auf die dunkle Bühne. Die Fenster geben den Blick frei auf die Abendtoilette oder das lautstarke Einschlafen der Kartonbewohner. Der italienischen Choreographin Livia Patrizi sind mit unaufwändigen Mitteln poetische, humorvolle Bilder gelungen. Stimmungsvolle Musik und Beleuchtung, das einfühlsame, leichte Spiel der Tanzenden und die intensive Erzählstimme von Uwe Preuss sogen nicht nur die Kinder in die Geschichte hinein. Am zweiten Tag wurde der Professor Zeuge eines Streites, der zwischen den Frauen (Katrin Pohlmann, Adalisa Menghini) wegen eines Rockes entbrannt war und in den sich die Männer (Kay Grothusen, JeanMarc Lebon) hineinziehen ließen. Keine Fragen kamen auf, was für Gefühle die Tanzenden wohl ausdrückten. Erstaunt merkte der Professor, dass er den (zeitgenössischen) Tanz verstand. Im folgenden Quiz entglitt ihm immer wieder das Gelernte zugunsten alteingesessener Klischees: Ist Tanz nur was für Mädchen? Ja! (die zwei Tänzer ließen ihre Muskeln spielen) Nein! Tanzt man nur zu Musik? Jj... (eine Tänzerin greift zu den Geräuschutensilien) Nein! Doch die Antwort auf die letzte Frage: Was ist ein Choreograph?, blieb der Professor schuldig. Aber zur Nacht kam die züngelnde Traumfee (Adalisa Menghini), die Ideen in Köpfe bohrt. Am dritten Morgen sprudelte die richtige Antwort aus dem Professor hervor: Er hatte seinen Schatz gefunden. Mit der Akzeptanz von dessen nicht materiellem Charakter, tat er sich jedoch schwer. Aber Pino half und zum Schluss tanzte das Publikum des Professors erste Choreographie: Öffnen, Schließen. So gelang es dem Stück, eine in weiten Gesellschaftskreisen unbekannte oder als unzugänglich empfundene Kunst, den zeitgenössischen Tanz, auf den Boden zu holen. Tanz ist ein Sprechen mit dem Körper, ist eine Sprache, die jeder verstehen und sprechen kann. Und gleichzeitig hob das Stück diese Kunst vom Boden, machte ihren Zauber, ihre erstaunliche Ausdruckskraft erlebbar. Das Publikum applaudierte lange und viele blieben zum anschließenden Workshop, um selbst ihre erste Choreographie zu wagen.Dagmar Schnürer

Dagmar Schnürer

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