Kultur: „Auf dass des Friedens kein Ende sei“
Musikalische Andacht in der Christnacht
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Zuzeiten kommen einem die so oft schon gelesenen Worte der Weihnachtsgeschichte nach Lukas ganz neu und unverfälscht vor. Das passiert nur dann, wenn es jemandem gelingt, diese alten Worte so zu lesen, als ob derjenige eine wahrlich erlebte Geschichte erzählt. So wie Klaus Büstrin dies tat während der „Musik zur Christnacht“ in der Friedenskirche – wunderbar reduziert, klar und dennoch plastisch, als lebendige Geschichte, was ihr eine schöne Unmittelbarkeit verlieh, die zu Herzen ging. Nicht weniger einprägsam der Text von Albrecht Goes „Wir suchen dich nicht“, der mit der Frage konfrontierte, wie eigentlich wir der Liebe Gottes begegnen. „Wir können dich Kind in der Krippe nicht fassen“ und sind angewiesen darauf, dass die allumfassende Wahrheit stattfindet. Wo, das ist eine andere Frage, der der Vorlesende in Manfred Fischers „Ehre sei Gott in der Tiefe“ nachging: Nicht allein in der Suche nach dem erfüllten Leben, ohne dessen wahren Sinn es nur Furcht gibt, oder in der Hoffnung und dem Warten auf Gott in seiner Vergeblichkeit eines „Von-Oben“. Nicht dort, wohl aber „mit den Menschen kam Gott nach Bethlehem“, unscheinbar, aber im Geschenk der allumfassenden Liebe. Das erhielt seinen Bezug so ganz heutig, denn diese Suche oder besser dieses Finden liegt für alle Menschen in der Erkenntnis, dass es Wenige nur sind – auch und vor allem die „Besiegten und Überrundeten“ –, die das Menschliche dafür nicht als zu niedrig oder banal erachten und allgegenwärtig es gewahren, in Kneipen, Wärmeküchen, auf der nächtlichen Straße. Entsprechende „Weihnachtswünsche“ wurden denn auch den Menschen mit auf den Weg gegeben: Friede und Geborgenheit als Atem des Lebens, einen Menschen zur Seite, der das Menschsein teilt, die Liebe zum eigenen Leben, die tägliche Feier, ein Mensch zu sein.
Der Vocalkreis Potsdam unter Leitung von Matthias Jacob brachte Werke von Hugo Distler, Johann Eccard, Heinrich Schütz, Carl Riedel und Helge Jung zu Gehör. Auch hier war das Vertraute, Liebgewordene in zum Teil ungewohntem musikalischen Gewand zu hören, das ein gedankenleeres Versenken wohl zu verhindern wusste. Eher stellte sich ein Nachhören, Nachsinnen ein, regten sich die Gedanken, horchte man in sich hinein in dieser musikalischen Andacht. Sei dies in der faszinierenden tönenden Welt Distlers, die in tiefer Intensität dem Wunder dieser Nacht huldigt, Gregor Joseph Werners kunstvollem Satz zu „In dulci jubilo“ oder Eccards „Vom Himmel hoch“. Die ruhigen Tempi, die Verhaltenheit des Chorgesangs entsprach dieser Andacht, der nachdenklich-meditativen Grundstimmung, und ließ andererseits wenig grenzenlose Freude über Geschenk und Wunder der Christnacht zu. Deren strahlenden Glanz zelebrierten die Potsdamer Turmbläser von der Orgelempore herab. Die von ihnen uraufgeführte Weihnachtspastorale „Macht hoch die Tür“ von Gisbert Näther überzeugte im feierlich-getragenen Gestus durch große Innerlichkeit und vermittelte so ein stilles, freudiges Erwarten des Heilands.
Der thronte über allen in der Apsiswölbung des sterngeschmückten Altars als Weltenrichter mit dem in dieser Nacht wieder deutlich empfundenen Versprechen, uns „Wunderbar, Rath, Kraft, Held, Ewig=Vater, Friede=Fürst“ zu sein, wie es in den Verheißungen des Propheten Jesaja zu lesen ist, „auf dass des Friedens kein Ende“ sei. Dies auch für die Menschen des Obdachlosenheims Potsdam, denen die Kollekte dieses Abends gespendet wurde. Christina Siegfried
Nicht nur in Potsdam läuteten Glocken die heilige Nacht ein. In der kleinen Dorfkirche von Bergholz wurde im Laufe des Tages gleich viermal die Geburt des Heilands verkündet, so groß war das Bedürfnis der Menschen. Zwei Stunden vor Mitternacht folgte dann, was jeder gestressten Seele wohltun musste, eine so persönlich wie schlicht eingerichtete Zeit der Besinnung mit Liedern und Texten, die nicht durchweg aus dem theologischen Kanon kamen, sondern aus den Herzen zweier Familien: Ines und Hartmut Beyer sowie Christina und Detlef Pauligk mit ihrer fast erwachsenen Tochter. Sie gestalteten eine Stunde lang, was man gern in die Stille Nacht hinaus mitnahm, Ruhe und Besinnung.
Mit Christoph Willibald Glucks Choral „Hoch tut euch auf, ihr Tore der Welt“ eröffnete das Quintett den Abend a-capella. Christine Pauligk begrüßte den gut besuchten Kirchraum in leisen Worten. Später trug sie einen nachdenklichen Text von Antoine de Saint-Exupery vor: „Der Schatz des Kindes“ bereitet einen Brunnen fürs Haus, daraus die Erwachsenen schöpfen und trinken mögen ... „Die Nacht ist vorgedrungen“ und „Wisset ihr noch, wie es geschehen“, sang die Gemeinde. Dazwischen gab es Instrumentalstücke von Georg Friedrich Händel (Passacaille) und den ersten Satz aus Bachs Partita E-Dur, vorgetragen von Annika Pauligk. Hartmut Beyer las eine Weihnachtsgeschichte der anderen Art: „Mister Larrybees Leuchtturm“ handelt von einem US-Amerikaner, der sich zur Adventszeit einen Leuchtturm pachtet, um von seinen Geschäften zur Ruhe zu kommen. Durch drei Matrosen wird er zum Evangelium geführt. Das bedeutet dem Einsamen Kraft für ein Jahr. Wunderbar, diese Erzählung von Josef Reding. Danach folgte verhalten und fern allen Pathos das oftmals missbrauchte alte Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“. Es war einfach schön in der Fachwerk-Kirche zu Bergholz, wo man Gott fast familiär die Ehre gab. Gerold Paul
Christina Siegfried
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