zum Hauptinhalt

Kultur: Auf der Bank

Milena Michiko Flaar liest im Viktoriagarten

Stand:

Sie werden Hikikomori genannt. Menschen in Japan, die sich weigern, das Haus ihrer Eltern zu verlassen. Die sich in ihre Zimmer einschließen und die Kontakte mit der Außenwelt auf ein Minimum reduzieren. An der Gesellschaft Gescheiterte, die sich den Normen widersetzen, freiwillig oder nicht. Von 50 000 bis 320 000 reichen die Schätzungen dieser Eingeschlossenen in Japan.

Es ist eine unbestimmte Sehnsucht, die den 20-jährigen Hikikomori Taguchi Hiro in Milena Michiko Flaars Roman „Ich nannte ihn Krawatte“ an einem kalten Februarmorgen aus seinem Zimmer auf die Straße treibt. Doch es braucht nicht viel, bis ihn zwischen all den Menschen die Panik packt. Er flüchtet sich in einen Park und findet zur Ruhe auf einer Bank.

Diese Bank wird in dem Roman „Ich nannte ihn Krawatte“, aus dem Milena Michiko Flaar am kommenden Montag in der Buchhandlung Viktoriagarten liest, zum Mittelpunkt für Taguchi Hiro und Ohara Tetsu, ein Salaryman, wie in Japan männliche Firmenangestellte genannt werden, Ende 50, der hier ebenfalls Halt und Zuflucht sucht.

Behutsam umkreist Milena Michiko Flaar, Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters, in ihrem dritten Buch das Schicksal dieser beiden Männer. Ihre Sprache ist klar und schnörkellos, fast schon protokollartig. Sie lässt die beiden Männer sich näher kommen. Zwei Gescheiterte. Der eine, der nach Monaten wieder den Weg nach draußen findet und dem sich auf dieser Bank vor allem durch Ohara Tetsus Erzählungen wieder etwas zu der ihm fremd gewordenen Welt zu öffnen scheint. Der andere, der nach 35 Jahren seine Arbeit als Angestellter verliert, weil er den Anforderungen nicht mehr gewachsen ist und fast täglich zu dieser Bank kommt, um vor seiner Frau den Schein zu wahren. Zwei Verlorene, die sich gefunden haben und in deren Leben voller Abgründe für Momente wieder etwas Licht scheint. Dirk Becker

Milena Michiko Flaar liest am kommenden Montag, 19. März, 19.30 Uhr, im Viktoriagarten, Geschwister-Scholl-Straße 10. Eintritt kostet 5, ermäßigt 3 Euro. Karten unter Tel.: (0331) 967 86 450

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })