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Der Einsamkeit auf der Spur. Der Regisseur Bohdan Sláma.

©  Manfred Thomas

Kultur: Auf der Flucht vor sich selbst

Der Regisseur Bohdan Sláma stellte in Potsdam seinen neuen Film „Der Dorflehrer“ vor

Stand:

Bohdan Sláma zeigte Verständnis. Sein Film „Der Dorflehrer“ sei einfach und sehr emotional. Er verstehe, so Bohdan Sláma, dass dem Zuschauer nach diesem Film der Sinn nicht gerade nach zahlreichen Fragen stehe. Ein freundliches Lächeln und ein Dankeschön an die Handvoll Zuschauer, die am Sonntagnachmittag in die Thalia Arthouse Kinos gekommen waren, dann war das angekündigte Filmgespräch, das im Grunde keines war, nach wenigen Minuten auch schon zu Ende. Zufrieden werden aber weder der freundlich lächelnde Regisseur Sláma noch die Zuschauer gewesen sein.

Sehr emotional ist der Film „Der Dorflehrer“, der ab Donnerstag in die Kinos kommt, auf jeden Fall. Doch ganz so einfach, wie Bohdan Sláma diplomatisch erklärte, ist die Geschichte nicht.

Sláma erzählt in knapp zwei Stunden vom jungen Petr, der die Großstadt Prag verlässt, um auf einem Dorf zu unterrichten. Es braucht nicht erst die Frage des Schuldirektors, warum Petr ausgerechnet ein angesehenes Gymnasium in Prag für eine mittelmäßige Dorfschule verlässt, um zu erkennen, dass diesen jungen Lehrer etwas umtreibt, er vor etwas davonzulaufen scheint. Ein Blick in das Gesicht dieses Petrs genügt, um das zu wissen.

Pavel Lika spielt diesen Petr mit einem verschlossenen, oft gequälten Gesichtsausdruck. Da ist einer unterwegs, der sich nicht akzeptieren kann. Ein guter Lehrer, seinen Mitmenschen gegenüber aber stark verschlossen. Für wenige Momente scheint er diese Verschlossenheit zu überwinden, als er auf die Witwe Marie trifft und ihr bei der Arbeit auf dem Bauernhof hilft. Wie selbstverständlich diese beiden so offensichtlich einsamen Menschen ihr Gegenüber durchschauen und vertrauensvoll miteinander umgehen, gehört zu den eindruckvollsten Szenen in „Der Dorflehrer“.

Als die deutlich ältere Maria von Petr mehr will als nur Freundschaft, weicht dieser aus. Doch ist es nicht Kummer, weil seine Freundin in Prag ihn verlassen hat, was ihn zurückweichen lässt. Es braucht noch eine Weile, bis Petr seine Mutter und damit auch den Zuschauer darüber aufklärt, was sein wirkliches Problem ist: seine Homosexualität.

Es sind nicht Vorurteile oder eine feindliche Umwelt, an der Petr leidet. Dieser junge Mann leidet an sich selbst. Und manchmal möchte man diesen Kerl packen und einfach nur schütteln. Doch aus seiner Isolation, dem Verschweigen seines Selbst kann ihn nur die Katastrophe retten, auf die der Film mit langsamen aber unerbittlichen Schritten zusteuert. Das ausgerechnet Maria ihn dann auffängt, ist so verstörend wie verständlich.

Um die außergewöhnliche Einsamkeit von Menschen geht es ihm in „Der Dorflehrer“, sagte Bohdan Sláma. Und das dieser Film von einer tiefen Melancholie getragen wird, die durch die stillen, verräterisch idyllischen Landschaftsaufnahmen immer wieder gebrochen wird, habe Sláma nicht bewusst so gewählt. Er konnte gar nicht anders, so der Regisseur auf die Frage eines Zuschauers. Denn der Stoff habe sich genau diese dramatische, für manchen vielleicht nur schwer zu ertragende Traurigkeit gesucht. Das leicht Unbeholfene der Dorfbewohner hat Sláma dagegen bewusst in Kauf genommen, da er auf Schauspieler verzichtete und stattdessen die Bewohner des Ortes, in dem „Der Dorflehrer“ gedreht wurde, vor die Kamera holte. Authentizität nannte Sláma das, was im Film oft etwas Erzwungenes hat, weil die Dorfbewohner im Bewusstsein der sie beobachtenden Kamera unsicher wirken.

Hier hätte man sich mehr Informationen vom Regisseur gewünscht. Doch weil ein Moderator für das Gespräch fehlte, wurde die Runde nach dem Abspann gleich mit den Fragen der Zuschauer eröffnet. Doch die waren kurz nach dem Ende von „Der Dorflehrer“ noch nicht so weit. Mancher Stoff muss sich erst entfalten, um wirken zu können und Fragen zu provozieren. Dirk Becker

„Der Dorflehrer“ läuft ab Donnerstag, 27. August, in den Thalia Arthouse Kinos, Rudolf-Breitscheid-Straße 50

Dirk Becker

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