Kultur: Auf der Höhe des Lebens
Das Amsterdam Baroque Orchestra musizierte in der Friedenskirche Sanssouci
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Gute Musik benötigt vor allem lebendige Spieler und Komponisten. Erst Menschen, die über bloßes technisches Können hinaus, die Skala ihres Charakters mit allen Erfahrungen und Empfindungen ins Spiel bringen, vermögen es, Musik zum Leben zu erwecken. Ein gewachsenes Alter ist dabei kein Hindernis, sondern kann sogar vorteilhaft sein, wie sich beim Konzert vom Amsterdam Baroque Orchestra unter der Leitung von Ton Koopman in der Friedenskirche Sanssouci in mehrfacher Hinsicht zeigte.
Der Großmeister der historischen Aufführungspraxis, der just mit der Bach-Medaille der Stadt Leipzig ausgezeichnet wurde, und sein vor 27 Jahren gegründetes Orchester intonierten Instrumentalkompositionen von Johann Sebastian Bach und Söhnen mit einer solchen Frische und Intensität, dass es eine reine Freude war.
Das Programm entfernte sich von Mozart und gelangte bis zu einem musikalischen Ahnherr. „Er ist der Vater, wir sind die Buben“, sagte Mozart über Carl Philipp Emanuel Bach, der über 30 Jahre lang im Dienst von Friedrich II. gestanden hat. Seine bedeutendsten Kompositionen entstanden freilich erst in seinen letzten zwanzig Lebensjahren, nachdem er in die freie Hansestadt Hamburg wechselte. Sie kennzeichnen ihn als innovativen, denkenden und vor allem empfindsamen Komponisten, der weit in die Zukunft weist. Auch die zwei ebenso kurzen, wie prägnanten Orchestersinfonien aus Wq 183 stellen dies vielfältig unter Beweis, zumal in der inspirierten Interpretation durch das Amsterdam Baroque Orchestra. Ein individueller Geniestreich ganz besonderer Art ist jedoch das im Todesjahr des Meisters, 1788, entstandene Doppelkonzert für Cembalo, Hammerklavier und Orchester. Zwischen dem „altmodischen“ und dem damals hochmodernen Tasteninstrument entwickeln sich sprühende Wechselreden voll Weisheit und Witz – eine willkommene Gelegenheit auch für Ton Koopman und seine langjährige Klavierpartnerin und Ehefrau, Tini Mathot, an beiden Instrumenten glücklich miteinander zu konzertieren. Auf die aparte, knappe Sinfonie d-Moll von Wilhelm Friedemann Bach, folgt die Orchestersuite Nr. 3 BWV 1068 von Johann Sebastian Bach, ein berühmtes, fast zu oft gespieltes Werk. Doch dem Amsterdam Baroque Orchestra gelingt das Wunder – mit zupackenden Bässen, funkelnden Streichern, großartigen Barock-Trompeten – selbst aus den bekannten „Ohrwürmern“ dieses Werks ein Beispiel überaus lebendigen Musizierens zu schaffen. Solch virtuoses, tiefgründiges und ausgewogenes Zusammenspiel kann erst auf der Höhe des Lebens entstehen. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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