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Kultur: Auf der Reservebank

Kleiner Auftakt zum großen Fest: Das jugendliche Publikum feierte beim Hans Otto Theater

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Während sich draußen im schönsten Septemberwetter auf dem sonntäglichen Theaterfest einige Kinder die Gesichter clownesk schminken ließen und andere versuchten, einen Fußball durch die Torwand zu schießen, saßen drinnen im Dunkel der Reithalle A die allermeisten und lachten zu den Szenen, die der Kinderzirkus Montelino bot. Meist ging es dabei um eine Reise übers Wasser und manchmal erschien den Kinderakteuren der Blick über die Reling gefährlich. In kurzen Dialogen wurden die Gefahren, die sich unter den Wellen befinden, wie Pyranjas oder Oktopusse beschworen, und allein schon die Art, wie diese Worte ausgesprochen wurden, brachten die jungen Zuschauer zum Lachen. Angst spielte immer eine Rolle in den kleinen Szenen, die aber humorvoll aufgelöst und bewältigt wurde, gemäß dem chinesischen Sprichwort „Tu, was Dir Angst macht, und die Tage Deiner Angst werden gezählt sein!“, das auf der Homepage des Zirkus Montelino zu finden ist. Die Szenen waren meist kindgerecht kurz und einfach gehalten, häufig gelang dem Zirkus eine poetische Atmosphäre, und den Kleinen gefiel das. Am Ende mussten allerdings alle bei der artistischen Darbietung mit den jugendlichen Akrobaten zittern, nicht immer fanden die Schuhe den richtigen Halt und die fahrigen Hände griffen auch mal neben den roten Schal, der Sicherheit versprach. Auf den Einrädern allerdings waren die Akteure dann groß und sicher, und sogar das Seilhüpfen per Einrad gelang virtuos.

Viele der jüngeren Zuschauer begaben sich danach auf die Schnitzeljagd durch das Gelände der Schiffbauergasse, und die wenigen jugendlichen Interessierten verloren sich auf den Zuschauerrängen, die vorher so dicht besetzt gewesen waren. Zeitgleich zu dem Stück des Fatal Theaters „Kick & Rush“ lasen nämlich Schauspieler des Hans Otto Theaters aus dem gerade entstehenden Stück „Wir alle für immer zusammen“, das mit der Problematik einer durch Scheidung auseinander gerissenen Familie mehr Anziehungskraft hatte.

Das Stück „Kick & Rush“ thematisiert das Schicksal zweier Reservebänkler beim lokalen Fußballverein. Micha (Stephan Simon) und Chriegel (Carsten Weber) werden höchst selten als Spieler eingesetzt, meist hocken sie auf der Bank, sprechen über ihre Mütter und die weiblichen Fans, denen sie natürlich gerne mal zeigen würden, was wirklich in ihnen steckt. Da kommt der nervige Lorenz (Martin Grünheit) vorbei, raucht und trinkt Bier und weiß natürlich immer alles besser. Die drei Schauspieler, die aus der Theaterfabrik Gera kommen und unter Leitung von Ulrike Hatzel auch in Potsdam ihr jugendliches schauspielerisches Können zeigten, hatten es schwer vor weitgehend leeren Rängen. Aber dennoch gab es immer mal wieder Lacher, als zum Beispiel die beiden Möchtegern-Fußballer dann ihre sportlichen Bewegungen auf winzigen Rasenstückchen ausführten wie in Zeitlupe. Oder wenn sich die beiden in wohlmeinender Begeisterung über die (nicht sichtbaren Kollegen) schon wie die Großen mit Sprüchen wie „Hau ihn weg den Ball“ üben. Glücklich sind sie nicht, die beiden jungen Männer, denen der großspurige Lorenz zudem ständig mit seiner scharfen Zunge wie mit einem Messer in den Wunden ihrer Fußballerambitionen herumbohrt. Kein Wunder, dass es dem einen dann zuviel wird und er den Ball mitsamt den nagelneuen Sportschuhen auf die Reservistenbank wirft und sein Glück woanders probiert.

Die Regie von Ulrike Hatzner hätte mehr Dynamik durchaus vertragen, und die Sprachausbildung der jungen Schauspieler verlangt noch mehr Feilung. Aber es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Das Stück war für ein männlich jugendliches Publikum gedacht, weibliche Heranwachsende spielten außer in den Träumen der Halbstarken keine Rolle – und der Fußball blieb wie ein lahmer Gott an der Rampe liegen.

Doch das tat der fröhlichen Stimmung des Theaterfestes für die Jungen keinen Abbruch, mehr als 500 waren insgesamt gekommen, um sich mit der Kunst und ihren möglichen Verzauberungen den Sonntag angenehm zu vertreiben. So blieb dem langen Theatertag, der mit der Aufführung von „Flusspferde“ begonnen hatte, die Ehre, den kleinen Auftakt zum großen Theaterfest zu bilden. Ende der Woche nämlich wird für Kinder und Jugendliche nur am Rande etwas geboten, da dürfen dann die Großen in festlicher Garderobe und mit hoher politischer und kultureller Repräsentanz auf ihre Art ein Fest mit Reden, Häppchen, Sekt und hoffentlich nur wenig Ärger begehen. Lore Bardens

Lore Bardens

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