zum Hauptinhalt

Kultur: Auf der Schattenseite des Lebens

Heute wird im Kunstraum die Ausstellung „Randwelten“ des Fotografen G.M.B. Akash eröffnet

Stand:

Was könnte im schlimmsten Fall passieren? Das ist die Frage, die sich G.M.B. Akash gestellt hat, bevor er die Drogensüchtigen in seiner Heimatstadt Dhaka fotografierte. In Gruppen leben sie auf Hinterhöfen und in der Kanalisation, und nicht selten handeln sie selbst mit Rauschgift. Umbringen werden sie mich nicht, hat sich Akash gesagt. Vielleicht rauben sie mich aus und stehlen die Kamera. Das Risiko hat er auf sich genommen.

Im Obergeschoss der Galerie Kunstraum auf dem Gelände der Schiffbauergasse sind ab heute eine Auswahl von Akashs Bildern zu sehen, die er von den Drogensüchtigen machte. Insgesamt werden 140 Fotografien in zehn Themenblöcken von Akash in „Randwelten“ gezeigt. Es ist die erste Ausstellung überhaupt, die nur Bilder des 30-jährigen Fotografen aus Bangladesch zeigt.

Für sein Bild eines Jungen, der von einem Aufseher in einer Näherei verprügelt wird, weil er zu langsam arbeitete, hat Akash im vergangenen Jahr den dritten Preis beim „World Press Photo Award“ bekommen. Bekannt ist er mit dem Bild eines siebenjährigen Jungen geworden, der mit Ketten an den Füssen darin gehindert werden soll, immer wieder aus einer Koranschule wegzulaufen. Im Januar war dieses Bild in vielen Zeitungen zu sehen. Akash gab viele Interviews. Dann riefen seine Eltern aus Bangladesch an. Ständig wurden sie angerufen und ihr Sohn als Nestbeschmutzer beschimpft. Das waren die harmlosen Anrufer. Die anderen drohten mit Mord. Diese beiden Bilder sind in „Randwelten“ auch zu sehen. Das Bild von dem geschlagenen Jungen hängt gleich am Eingang zum Kunstraum, der Junge in Ketten am Ende einer ganzen Reihe von Bildern aus der Koranschule.

Akashs Blick auf seine Heimat Bangladesch ist ein kritischer. Er hat sich auf den Weg in die Randwelten gemacht, um der anonymen Masse der Armen, Vergessenen und Verlorenen ein Gesicht zu geben. Seine Fotografien wirken wie die bildlichen Entsprechungen zu den dunklen und apokalyptischen Romanen des aktuellen Pulitzerpreisträgers Cormac McCarthy. Akash zeigt Gesichter, in denen selten Hoffnung und oft nur Leere zu erkennen ist. Akash hat Prostituierte fotografiert, die in kleinen, abgeriegelten Stadtvierteln leben und nicht selten von der Familie und den Ehemännern zu diesem Geschäft gezwungen werden. Akash hat Straßenkinder fotografiert, deren hoffnungslose Blicke in seine Kamera schwer zu ertragen sind. Er hat die Menschen fotografiert, die tagtäglich auf Dächern und Kupplungen von Zügen reisen und wäre dabei fast ums Leben gekommen, als ihn bei voller Fahrt ein Elektrokabel am Kopf traf und er beinahe vom Waggondach gestürzt wäre. Er hat Opfer der jährlichen Fluten, Müllsammler auf riesigen Halden, er hat Narben von Schnitten fotografiert, die sich Straßenkinder oder Prostituierten selbst zugefügt haben, wenn sie den inneren Schmerz nicht mehr ertragen konnten.

Fast immer hat Akash mit den Menschen geredet, bevor er sie fotografierte, sagte er am Donnerstag bei einem kurzen Rundgang durch die Ausstellung. Denn Kennenlernen heißt in den meisten Fällen auch Verstehen und Vertrauen. Doch oft genug musste Akash auch auf Tricks zurückgreifen, um beispielsweise Kinder bei der Arbeit in einer Glühbirnenfabrik fotografieren zu können.

Mit 18 Jahren bekam er von seinem Vater eine Kamera geschenkt. Doch erst als er eine Fotoausstellung über aidskranke Kinder besuchte und durch diese Bilder seine eigene Meinung verändert wurde, begriff er, welche Macht ein Bild haben kann. Seit dem leuchtet Akash die Schattenseiten seiner Heimat aus. Er tue dies aus Liebe zu seine Heimat, sagt er. Was im ersten Moment seltsam klingen mag. Doch je länger man seine Bilder betrachtet, sich in diese Randwelten hineinziehen lässt, wird einem klar, dass solche Bilder nur machen kann, wer Heimat tief in seinem Herzen trägt. Dirk Becker

Heute wird um 20 Uhr im Beisein von G.M.B. Akash die Ausstellung „Randwelten“ in der Galerie Kunstraum auf dem Gelände der Schiffbauergasse eröffnet. Sie wird dann bis Ende Mai immer von montags bis freitags von 14 bis 20 Uhr und samstags und sonntags von 12 bis 20 Uhr geöffnet sein.

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })