Kultur: Auf der Suche nach dem wahren Ritus
Martin Mosebach präsentierte in der „arche“ sein „Messbuch von Trient“
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Am Anfang war die Irritation. Das Gefühl, dass da irgendwas nicht ganz stimmt zwischen Inhalt und Form. Bereits in seiner Kindheit stellte Martin Mosebach für sich fest, dass die heilige Messe mehr schlecht als recht verständlich war. Jahrzehnte später beginnt der zum Schriftstellertum übergetretene Jurist, die alte römische Liturgie, die durch das Zweite Vatikanische Konzil 1965 gewissermaßen ad acta gelegt worden war, eingehend zu erforschen. Seither hat das Thema den diesjährigen Büchner-Preisträger nicht mehr losgelassen. Als er am Sonntagabend in der „arche" unweit der katholischen Kirche St. Peter und Paul seinen vor ein paar Jahren entstandenen Vortrag „Die Kathedrale in einer Nußschale“ über das Messbuch von Trient verlas, war der Raum bis auf den letzten Platz gefüllt.
Der in Martin Mosebachs „Häresie der Formlosigkeit“ (Untertitel: „Die Römische Liturgie und ihr Feind“) eingeflossene Text widmet sich in der Hanser-Ausgabe auf 20 Seiten einer kenntnisreichen Beschreibung jener römisch-katholischen Liturgie, die seit dem Konzil von Trient Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil 400 Jahre bindend war.
Die Bewertung eines Textes, der die Form des alten Messritus in allen Einzelheiten beschreibt und mit größter Sachkenntnis und Argumentation befürwortend analysiert, speist sich aus mehreren Quellen. Gerade dort, wo es um die Diskussion kirchlicher Dogmen und die Verfestigung von zum Teil fragwürdig gewordenen Traditionen geht, scheiden sich naturgemäß die Geister. Unabhängig davon ist man als geneigter Zuhörer mit der umstrittenen Büchner-Preis-Rede im Hinterkopf gedanklich leicht in Versuchung geführt. Nur allzu leicht und vorschnell wäre der eloquente Schriftsteller so aufs reaktionäre Gleis gestellt. Schließlich sind in dem informationsgeladenen Text über das Messbuch von Trient, für den der Autor das poetische Bild der Kathedrale in einer Nussschale findet, auch noch ganz andere Seiten verborgen. Die sprachliche Virtuosität, mit der Martin Mosebach den Ablauf der heiligen Messe vor dem geistigen Auge seines Publikums gleichsam zelebriert und die äußere Pracht der alten Messbücher fast mit Händen greifbar werden lässt, ist jedenfalls über alle Zweifel erhaben.
Als es im Anschluss an die 45minütige Lesung zum Dialog zwischen Schriftsteller und Auditorium kommt, herrscht Einigkeit in der Forderung nach einem Ritus der Gestalt, dass die Botschaft der Heiligen Messe möglichst 1:1 wieder erfahrbar wird. Martin Mosebach, der nicht davon ausgeht, „dass das große päpstliche Ritual zurückkehren wird“, verleiht in seinem Schlusswort zum Vortragsabend seiner Überzeugung Ausdruck, dass sich der reformierte Ritus in direkter Abhängigkeit von Zeitgeist und Kontext beständig modifiziert, allerdings unter der Voraussetzung einer Maßgabe: „Es muss ein unbewusstes Wachsen sein!“ Almut Andreae
Almut Andreae
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