Kultur: Auf Dichters Spuren in der Villa Quandt
Vor einiger Zeit organisierten Kultur-Enthusiasten aus Wilhelmshorst eine Führung zu den wenigen Stätten der Dichtkunst, die es dort gibt. Dort angekommen, las man Texte, bestaunte die mehr oder weniger baufälligen Stätten der großen Geister, aber eigentlich sah man nichts.
Stand:
Vor einiger Zeit organisierten Kultur-Enthusiasten aus Wilhelmshorst eine Führung zu den wenigen Stätten der Dichtkunst, die es dort gibt. Dort angekommen, las man Texte, bestaunte die mehr oder weniger baufälligen Stätten der großen Geister, aber eigentlich sah man nichts. Der „Aha-Effekt“ war eher innerlicher Art. Solche literarischen Touren erfreuen sich trotzdem wachsender Beliebtheit. Unter der Internetadresse „literaturport.de“, einem Gemeinschaftswerk des Literarischen Kolloquiums Berlin und dem Brandenburgischen Literaturbüro, kann man sich nun virtuell durch die Dichterlandschaft Potsdams führen lassen. Preußens Hauptstadt hat (und hatte) schließlich in Sachen Schriftsteller und Verlage einiges zu bieten. Darauf aufmerksam zu machen, lud die Villa Quandt am Sonntag zu einer Schnupper-Matinee. Sie stellte drei extra für dieses Internet-Portal entstandene Kurz-Essays von Lonny Neumann, Klaus Büstrin und Klaus-Peter Möller über Potsdamer Skribenten vor.
Klaus-Peter Möller vom Fontane-Archiv, das sich die Räume der Villa mit dem Literaturbüro teilt, begleitete den Namensgeber Fontane bei einem Stadtrundgang heutiger Coleur, eine Ehrenpflicht, denn der alte Neuruppiner beleuchtete zwar dieses und jenes Nest in der märkischen Landschaft, ein Potsdam-Kapitel findet man unter seinen „Wanderungen“ nicht. Also An- und Abreise vom heutigen Hauptbahnhof mit dem Zug, dazwischen die Lange Brücke, das Loch in der Mitte, Neustädter Tor und Hotel „Zum Einsiedler“, alles eher Nicht-Orte, vom derzeitigen Stand aus betrachtet. Potsdam als „Geburtsort des preußischen Geistes“, die Garnisonkirche als „heiligste Ikone des preußischen Staates“, da weiß man wenigstens, was jetzt wieder aufgebaut wird. Potsdams Zierde aber sind und bleiben für den Autor Möller – die Havelschwäne.
Klaus Büstrin trug eine christlich gefärbte Eloge auf den Dichter und überzeugten Royalisten Reinhold Schneider vor, sehr kompakt gedacht, lebendig geschrieben und warmherzig vorgetragen. Mit der Darstellung eines komplizierten Außen-Innen-Geflechts, familiärer Bezüge und der unvollendeten Freundschaft zu Jochen Klepper kam seine Darstellung einer „inneren Biographie“ recht nahe. Wie bei den anderen Essayisten, wurde auch hier stets mit Name und Hausnummer gearbeitet.
Lonny Neumann setzte sich höchst respektabel mit Hermann Kassak auseinander, Schriftsteller und Lektor bei diversen Potsdamer Verlagen. Ihr Essay fand einen lebendigen Einstieg, als sie einer Dame vom Steuerberatungsbüro in der Hegelallee ehrfurchtsvoll zuhauchte: „In diesem Haus hat ein ... Dichter gelebt!!“ Diese wusste von nichts. Dann gerät der literarische Text aus den Fugen: Zu viele Fakten, zu wenig Eigenes. Natürlich kann man auch mit ihm den längst erkalteten Fußspuren nacheilen.
Nett und frisch und gutgemeint, also mit Liebe und Herzblut getränkt, sind die präsentierten „literatouren“ alle. Mancher Essay erscheint dabei aber fast schon als Heldenverehrung. Wenn man vor dem Wohnhaus eines Reinhold Schneider steht, gibt das, wie bei den Wohnstätten anderer Dichter auch, kaum Auskunft über den Zauber seines Werkes. Da braucht es Distanz. Sonst erwürgt man am Ende wohlmöglich noch den Dichter im verehrten Helden.Gerold Paul
Gerold PaulD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: