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Von Dirk Becker: Auf dunklem Asphalt
Am Sonntag lassen Laibach in Potsdam die Hymnen klingen und werden zum Gleichschritt zwingen
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Lebensbejahung klingt anders. Diese Klanghysterie jedoch will einen zermahlen, Milan Fras’ grummelnde Drohstimme dazu indoktrinieren. Wahlmöglichkeiten? Die gibt es hier nicht. Bei Laibach zählt nur der Gleichschritt, der mit peitschenden Synthesizerklängen unter das verunsicherte Volk gebracht wird. Letzte Zweifel werden mit dieser totalen Musik ausgeräumt. Die Anpassung ist absolut, so dass jegliches Individuelle komplett ausgemerzt wird. Die Laibach-Propaganda funktioniert so unnachgiebig, dass sich mancher Diktator ob dieser Wirkung neidvoll die Haare raufen muss. In diesem musikalischen Kosmos blüht kein Gras, nicht eine Blume. Hier glänzt nur dunkel der Asphalt, auf dem sich trefflich in der Masse marschieren lässt.
Doch so sehr Laibach, die am Sonntag eines von drei Deutschlandkonzerten im Waschhaus geben, mit dem Autoritären, Totalen und Absoluten in ihrer Musik spielen, sie sind selbst das beste Beispiel dafür, dass auch aus dem Gleichförmigen und Angepassten immer wieder Eigenwilliges hervorbrechen kann. Als die slowenischen Musiker um Sänger Milan Fras vor drei Jahren mit ihrer Interpretation von Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“ beim Bachfest in Leipzig auftraten, war die Verwirrung perfekt. Die Fanschar, gewohnt an den martialischen Industrialsound und das abgehackte Geröhre deutscher Liedtexte durch Milan Fras, sollte sich nun in der komplexen Welt des barocken Kontrapunkts zurechtfinden. Und dem Bachverehrer, der sich neugierig auf die Herangehensweise von Laibach einließ, wurden die Fugen im elektronischen Hochgeschwindigkeitsklangrausch um die Ohren gehauen.
Laibach sind Provokateure, das wird schnell klar. Ihr Spiel mit dem Martialischen und Unnachgiebigen des Industrials, die provokanten deutschen Textzeilen, die Symbole totalitärer Herrschaft – das alles ist schnell zu durchschauen. Man kann das natürlich bedenklich finden. Wer aber behauptet, die Musiker von Laibach würden nur so tun als ob, trotzdem aber wie eine Art Rattenfänger faschistisches und nationalsozialistisches Gedankengut verherrlichen, dem kann man nur attestieren, dass er da Vordergründigem auf dem Leim gegangen ist. Wer provoziert, überschreitet bewusst Grenzen, spielt mit dem Verbotenen. Und wenn dann die Moralapostel aufheulen, wie geprügelte Hunde, ist die so offensichtliche Falle zugeschnappt und der Provokateur reibt sich frohlockend die Hände und freut sich über die kostenlose Werbung.
Die slowenische Gruppe Laibach entstand 1984 aus dem Künstlerkollektiv „Neues Slowenische Kunst“ in der damals noch jugoslawischen Bergarbeiterstadt Trobvlje. Schon der Bandname Laibach, der ehemals deutsche Name für die slowenische Hauptstadt Ljubljana, musste als äußerste und bewusst gewählte Provokation verstanden werden. Erste Auftritte im jugoslwasichen Fernsehen sorgten für die entsprechenden Aufregungen und den nötigen Gesprächsstoff. Mit ihrer „Occupied Europe Tour“ gelangten den Musikern dann erste Erfolge auch außerhalb ihrer Heimat. Das offenkundige Spiel mit dem Totalitären und seinen Porpagandawerkzeugen fand schnell eine begeisterte Anhängerscharr.
Das Milan Fras und seine Kollektivkollegen das Manipulative in der Musik und die damit verbundenen staatlich geförderten Massenbewegungen immer wieder zur eigenen musikalischen Auseinandersetzung reizen, ist auf ihren Aufnahmen und bei ihren Auftritt nicht zu überhören. Doch spätestens mit ihrem Album „Volk“, auf dem sie 14 Nationalhymnen interpretieren, muss auch dem letzten Zweifler klar geworden sein, dass hier eine Band nicht Propaganda und Verherrlichung betreibt, sondern Propaganda entlarvt und das Fragwürdige solcher Einheits- und Vereinheitlichungsritualen wie Nationalhymnen zur Diskussion stellen.
Dass Laibach dann auch gelegentlich Klassiker der Rock- und Popgeschichte wie „Final Countdown“ von Europe oder „Sympathy for the devil“ von den Rolling Stones durch den Syntheziser-Fleischwolf drehen, sollte niemanden verwundern. Das gehört einfach zum Verwirrprogramm. Denn auch wenn so vieles bei Laibach offensichtlich erscheint, ganz so einfach wollen sie es einem dann doch nicht machen.
Laibach spielen am Sonntag, 19. Juli, in der Waschhaus Arena, Schiffbauergasse, ab 21 Uhr. Im Vorprogramm werden Mona Mur & En Esch erwartet. Der Eintritt kostet im Vorverkauf 19 Euro und an der Abendkasse 24 Euro.
Dirk Becker
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