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Kultur: Auf hoher Zinne

Missglücktes Plädoyer für den Glauben in der „arche“

Stand:

„Schwache Argumente, ein oberflächliches Buch“, urteilte der katholische Pater Matthias Gaudron am Dienstag über Richard Dawkins’ Bestseller „Der Gotteswahn“. Ein mehr als oberflächlicher, platter und höchst langweiliger Vortrag, so könnte man retour zusammenfassen, was da am Dienstag nach der zugkräftigen Ankündigung „Hat die Wissenschaft den Gottesglauben widerlegt?“ in der guten alten „arche“ geschah. Einige unbekannte Gesichter im voll besetzten Vortragsraum Am Bassin ließen vermuten, dass sich auch Wissenschaftler für das Thema interessierten. Vielleicht ging es ihnen wie dem britischen Populär-Biologen Dawkins selbst, der mit 98-prozentiger Gewissheit in Leben und Lehre ohne Gott auskommen will und dies voller Tatkraft verbreitet. Letztlich aber ist es wie mit dem Genbild von Mensch und Schimpanse: Nicht die Kongruenz zählt, sondern die allerletzten Prozente, das Trennende.

Als ob er eine Schar von Novizen zu belehren hätte, konzentrierte sich der in allem selbstgewisse Redner Matthias Gaudron auf das Drögeste, auf die von Dawkins so keck attackierten „fünf Wege der Gotteserkenntnis“ nach Thomas von Aquin. Sollte dessen Pharisäer-Logik zur offiziellen Kirchenlehre gehören, muss man sich wirklich nicht wundern, wenn da nicht viel bei herauskommt: Beweis aus der Ursache, aus der Kontingenz, aus den Stufen der Vollkommenheit oder aus Zielursachen. Oder mal ontologisch, also metaphysisch? Dies alles wirkt nur auf der niedrigsten Stufe des Erkennens, im Reich von Materie und Kausalität. Man glaubt es nicht: Ausgerechnet altgediente Kirchenlehrer wie Thomas oder Anselm von Canterbury hatte es also nach „philosophischen Gottesbeweisen“ gelüstet! Da war der Glaube wohl nicht sehr stark.

Redete Gaudron auf seiner hohen Zinne also von Philosophie, dann nach Art der Philosophie, und kein Stück daneben. Redete er von der Biologie, vom Willen der Tiere, war alles daneben, auch seine theologische Urknall-Idee überzeugte kaum einen. Interessanter war, wie listig er den Teufel mit dem Beelzebub austrieb, indem er auf derselben Ebene wie sein Widerpart argumentierte, das gleiche Vokabular benutzte. Er muss einfach um diese beiden Prozentpunkte klüger sein, sonst hätte er nicht hinzugesetzt, Leute mit geringerem Wissen als wohl seinem, könnten leicht auf den darwinistisch orientierten Populärbiologen hereinfallen.

Ob die Wissenschaft nun den Gottesglauben widerlegt habe, blieb an diesem schläfrigen Abend zwar unklar, aber einer Koryphäe wie Gaudron sollte man schon vertrauen. Sein stetes Kopfschütteln über die Oberflächen des atheistischen Insulaners, der höhnende Unterton bei seiner Widerrede können nichts anderes bedeuten. Hohe Zinnen lassen immer weiter blicken! Wenn auch einer mit dem Spruch „Thema verfehlt!“ ging, so war dieser Abend also doch noch lehrreich: Nichts wurde bewiesen, nichts widerlegt, man verstand nur etwas besser, warum die Theologie mit der modernen Wissenschaft nicht fertig wird: Sie schielt ganz unverschämt nach deren Gestalt! Wissenschaft will sie sein, Theologie will sie bleiben, und möchte dabei auch noch ein philosophisches Mäntelchen tragen. Zu viel für die Schwache, die Eine, schon einer wie Richard Dawkins, von dem nun wirklich viel nicht zu halten ist, bringt alles ins Wanken. Gut so, Mister Dawkins, nicht anders erkennt man hienieden, was recht und was falsch ist. Manchmal sind eben zwei Prozent mehr als achtundneunzig! Gerold Paul

Gerold Paul

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