Kultur: Auf nach Amerika
Kinder gehen mit Stephan Holzapfel beim kleinen Sinfoniekonzert im Nikolaisaal auf Abenteuerreise
Stand:
Sie verwandeln große Sinfonien in kleine konzertante Geschichten für Kinder. Morgen geht es im Nikolaisaal mit Dvoraks „Neunter“ nach Amerika. Wie halten Sie die Kinder bei Laune?
Indem ich die Musik bebildere, eine konkrete Geschichte erzähle. Ich personifiziere die Melodien.
Ähnlich wie bei Peter und der Wolf?
Ja, aber dieses Werk wurde von Prokofjew so komponiert. Bei Dvorak versuche ich indes, eine abstrakte Musik für mich zu interpretieren und sie so umzuwandeln, dass die Kinder sie nachvollziehen können. Es gibt sicher Puristen, die sagen, das darf man nicht tun. Aber ich finde, dass Kinder dadurch einen Zugang zu klassischen Werken finden können.
Warum bot sich gerade Dvoraks Werk an?
Die Musik ist sehr plastisch und bildhaft und ich habe daraus eine Abenteuergeschichte gemacht. Entsprechend der drei Themen gibt es bei mir den Abenteurer, seinen Sohn und seine Mutter. Der Abenteurer ist sehr zupackend und will in die Ferne schweifen. Auch sein Sohn ist ein bisschen abenteuerlustig, aber weicher und spielerischer. Ja und die Mutter-Melodie ist traurig und melancholisch.
Wie begründen Sie das in Ihrer Geschichte?
Sie hat Angst, weil ihr Sohn und der Enkel mit einem großen Schiff in die Ferne reisen.
Welche Abenteuer haben sie zu bestehen?
Erst wird das Schiff beladen, dann fahren die beiden „Männer“ hinaus, trotz der Warnung der Oma. Ihr Enkel ist das erste Mal mit dabei. Er fühlt sich stark und mutig und will selbst das Steuerrad halten. Aber er scheitert. Der Vater zeigt ihm schließlich, wie es geht. Am Schluss träumt der Sohn davon, das Schiff in den Griff zu bekommen und stärker als der Vater zu sein. Ich habe mich richtig gefreut, als ich die passende Geschichte gefunden habe, es gibt ja in Kompositionen viel mehr Rückgriffe und Wiederholungen als in Erzählungen.
Spielt das Brandenburgische Staatsorchester alle vier Sätze?
Nein, der zweite Teil ist zu ruhig. Langsam und leise funktioniert nicht so gut bei Kindern, jedenfalls nicht lange. Action geht besser. Der zweite Satz wird also nur angespielt, er steht für das heimliche Heimweh des Abenteurers oder für die Weite der Landschaft, die er sich ersehnt. Und im dritten, den tänzerischen Satz lade ich die Zuschauerkinder in die „Abenteurerschule“ ein. Sie dürfen reiten, gegen Feinde kämpfen und am Ende vielleicht eine Friedenspfeife rauchen. Sie sollen übers Agieren die Musik begreifen. Zur feierlichen Abschlussmelodie werden sie dann in den Klub der Abenteurer aufgenommen.
Kann man sich das Konzert wie ein Ausmalheft vorstellen: Sie geben die Umrisse der Figuren vor und die Kinder füllen sie aus?
Ja, dieses Bild trifft es in etwa. Die Musik ist so vielfarbig, dass jeder etwas anderes „malt“. Ich werde am Ende die Kinder auch fragen, was sie gesehen haben.
Wie oft haben Sie sich das Werk angehört, bis sich Ihre Abenteuergeschichte entspann?
Unzählige Male, ich kann die Sinfonie fast „mitsingen“. Mit meinen Erfahrungen ist es ziemlich leicht, diese Musik zu verstehen. Für Ungeübte natürlich weniger. Man kann es aber trainieren, Melodien wieder zu erkennen. Die Musik wirkt dadurch klarer und verständlicher. Auch Erwachsene lieben Kinderkonzerte, weil sie dankbar sind für eine Konkretisierung.
Wie kamen Sie auf die Idee dieser Kinderkonzerte?
Ich gestalte seit 2001 beim RBB die Sendung „Klassik für Kinder“. Beim Radio arbeitet man aber immer allein für sich im stillen Kämmerlein und merkt nichts von den Zuhörern. Deshalb hatte ich Lust, rauszutreten ins Leben, nah ans Publikum heran.
Was für eine Ausbildung haben Sie?
Ich bin Erzieher und als Seiteneinsteiger zum Radio gekommen. Dort habe ich schon so ziemlich alles gemacht: über Skateboard-Weltmeisterschaften ebenso berichtet wie über wissenschaftliche Erfindungen. Jetzt bin ich aber voll auf der Klassik-Schiene.
Mit welchem musikalischen Hindergrund?
Ich spielte als Teenager in einem Orchester Klarinette und fand das toll. Inzwischen habe ich natürlich stapelweise Fachliteratur gelesen.
Wird es die Reihe „Das kleine Sinfoniekonzert für Kinder“ weiter geben?
Ja, ich hoffe es. Bislang habe ich Beethovens 4. Sinfonie und Ravels Bolero kindgerecht aufbereitet, aber ich würde mich über neue Konzerte freuen.
Das Gespräch führte Heidi Jäger.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: