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Seltener Einblick. Die Innenräume der Grotte im Neuen Garten.

©  Michael Urban/ddp

Von Dirk Becker: Auf sentimentalen Pfaden

„Die Entdeckung der Langsamkeit“ findet am kommenden Freitag im Neuen Garten statt

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Muss man einen Garten verstehen? Reicht es nicht, das Grün, die Bäume und Blumen einfach zu genießen? Und wenn eine Statue oder ein kleines Denkmal den eigenen Weg kreuzt und man nicht weiß, was soll es bedeuten, genügt es da nicht, mit den Schultern zu zucken? Sich einfach zu sagen, dass sich dabei schon einer etwas gedacht haben wird und seinen Spaziergang unverdrossen fortführt?

Sven Kerschek genügt ein Wort, um diese Gleichgültigkeit zu erschüttern. Kerschek, Fachbereichsleiter im Neuen Garten der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, steht vor der Grotte mit Blick auf den Jungfernsee und spricht von seinem Neuen Garten als einen „sentimentalen Garten“, den sich Friedrich Wilhelm II. nach eigenen Vorstellungen hat anlegen lassen. Ein „sentimentaler Garten“? Hat Kerschek sich vielleicht versprochen?

Nein. Friedrich Wilhelm II., der von 1786 bis zu seinem Tod 1797 in Preußen regierte, war ein Kind seiner Zeit und entsprechend auch anfällig für die Moden. Die Sentimentalität mit ihrem Hang zum Mystischen entsprach im ausgehenden 18. Jahrhundert dem Zeitgeist. So ließ sich Friedrich Wilhelm II, Anhänger des geheimnisvoll angehauchten Rosenkreuzerordens, mit dem Neuen Garten am Heiligen See und begrenzt vom Jungfernsee einen Park mit verschlungenen Pfaden, Gedächtnisurnen, Pyramide und einer Grotte errichten. Am Freitag kann dieser Garten in der Reihe „Entdeckung der Langsamkeit“ mit der Auftaktveranstaltung „Sentimentalität eines königlichen Gartens“ erlebt und erfahren werden.

In den vergangenen 100 Jahren hat sich der Neue Garten, der bis 1914 ein privater Park war, so viel verändert, dass sein ursprünglicher Charakter heute nur dem Eingeweihten nachvollziehbar ist. „Mit einer Führung wollen wir die Geheimnisse des Neuen Gartens lüften“, sagt Kerschek. Zusammen mit Renate Jung und Michael Adam will Kerschek bei den Besuchern so ein Verständnis für dieses Gartenkunstwerk vermitteln. Der Weg führt vorbei am Marmorpalais und der Gedächtnisurne für Alexander von der Mark zur Pyramide, deren Eiskeller für die Blicke der Gäste an diesem Abend geöffnet werden soll. Am Ende des Rundgangs auf dem romantischen Rasenstück zwischen Grotte und Jungfernsee wird die französische Künstlerin Emilie Bajard einen außergewöhnlichen Tanz in einer Kugel mit dem Titel „Nebula Swing“ aufführen. Begleitet wird sie dabei von Isabelle Janke an der Violine.

Danach steht die Grotte für Besichtigungen offen. Eine Möglichkeit, die nur zwei- bis dreimal im Jahr besteht, wie Sven Kerschek sagt. Vor zwei Jahren wurden die Sanierungsarbeiten an der Fassade abgeschlossen. Seitdem wird Schritt für Schritt das Innere der Grotte saniert. „Eine Arbeit, die uns noch einige Jahre beschäftigen wird.“ Und obwohl der Besucher am Freitag in der Grotte eine Baustelle betritt, ist ein besonderes Erlebnis garantiert, wenn die einstige Pracht der drei Innenräume auch ob der großen Schäden in Teilen nachvollziehbar wird.

In diese Grotte zog sich Friedrich Wilhelm II. zu seinen Rosenkreuzersitzungen zurück, um in Kontakt mit den Toten zu treten. An der Rückwand der Grotte befindet sich ein sogenannter Kriechgang, wie Sven Kerschek erklärt. Vielleicht hat er zu Belüftungszwecken gedient. Die reizvollere Variante aber ist die, in der Kinder durch den Gang geschickt wurden, um bei den spirituellen Sitzungen des Königs entsprechende Geräusche zu machen, die dieser als Nachrichten aus dem Jenseits interpretierte.

Auf solche Vorführungen will Kerschek am Freitag aber verzichten. Der Charakter des „sentimentalen“ Gartens soll auch ohne solchen Hokuspokus nachvollziehbar werden.

Der Rundgang „Sentimentalität eines königlichen Gartens“ beginnt am Freitag, 29. Mai, um 19 Uhr, an der Orangerie im Neuen Garten. Die Führung kostet 12, ermäßigt 8 Euro. Die nächste Veranstaltung in der Reihe „Entdeckung der Langsamkeit“ findet am Freitag, 3. Juli, im Park Sanssouci statt.

Dirk Becker

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