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Kultur: Auf witziger Weltreise

Sinfoniekonzert mit dem Staatsorchester Frankfurt

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Aufheulend knattert ein Motorrad mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die (Klang-)Landschaft. Der Gasgriff ist bis zum Anschlag geöffnet. Ob das gut geht? Natürlich nicht. Am Ende der „Motorbike Odyssey“, einem veritablen Konzert für Posaune und Orchester aus der Feder des schwedischen Komponisten Jan Sandström, kommt es zum Crash. Bis es soweit ist, erleben wir den Raser alias Posaunist Mike Svoboda, wie er auf „heißem Ofen“ Kontinente durcheilt, deren Umrisse er zuvor mit seinem Instrument tonlos in die Luft zeichnet. Das verblüfft die zunehmend animierten Zuhörer im Nikolaisaal, die sich beim 3. Sinfoniekonzert mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt unter Leitung von Hermann Bäumer sichtlich wohlfühlen.

Mit Musik hat das Klangspektakel natürlich auch etwas zu tun, und sie auf dem Soloinstrument hervorzubringen, erfordert einen exzellenten Könner wie Svoboda. Mit Flatterzungen, Glissandi und sonstigen Effekten kennt er sich aus, auch mit Mimik und dem Hervorbringen mannigfacher Geräusche. Seine Atem- und Spieltechnik, mit der er uns eine witzige Weltreise auf zwei Rädern eindringlich suggeriert, ist fantastisch. In den Sümpfen der Everglades erleben wir einen „Krokodilchor“, der sich mit seinen synkopierten Rhythmen wie Bernsteins „Turkey Trott“ anhört.

Dann rast der wilde Biker an einer katholischen Prozession vorbei, die sich mit einem Kirchenchoral vernehmen lässt. Dazwischen erklingen immer wieder aggressive Klangballungen, die von Rennen auf meilenweiten Pisten erzählen. In der Kadenz wird der sonor-hohlwangige Klang des Didjeridoo imitiert – wir sind bei den Aborigines in Australien angelangt. Präzise wie ein Uhrwerk spult sich das Opus mit seiner derb-deftigen Lautmalerei ab. Die Musiker geben sich mit Lust an der Ekstase und der Elegie dem Spiel hin. Der mit Bravorufen gefeierte Solist bedankt sich mit Variationen über eine traditionelle, „Waldecho“ genannten Melodie. Letzteres erzeugt er mit nur halbem Rohrgestänge!

Davor und danach gibt es romantisch-traditionelle Klangkost, die dem „Unterwegs“-Thema des Programms entspricht. Klangschön, leicht und transparent wird eingangs Edvard Griegs „Peer Gynt“-Suite musiziert. Ausbrüche und Aufschwünge übermittelt der Dirigent, indem er seine gestensynchronen Arme nach oben hin auseinander reißt. Das sieht nicht immer sehr elegant aus, erfüllt aber seinen Zweck. Sonor, aber ohne Schwulst klingen die sordinierten Streicher in „Ases Tod“, elegant bis kapriziös in „Anitras Tanz“. Entfesselt, geradezu brutal geht es „In der Halle des Bergkönigs“ zu. Mit lyrisch strömendem Legatogesang stimmt Olga Peretjatko (Sopran) „Solvejgs Lied“ an. Plötzlich hört man von den Frankfurtern auch wieder seidig glänzenden Streichersound.

Von dem hätten sich Holz- und Blechbläser eine Scheibe abschneiden können, die sich bei der hellgetönten und dynamisch fein abgestuften Wiedergabe von Antonin Dvoraks Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70 nicht immer von ihrer besten Seite zeigen. Düster, vibrierend und bohrend hebt das Thema der Einleitung an, kontrastiert von einem pastoralen Seitengedanken. Die dramatischen Verwicklungen nehmen ihren Verlauf. Die klare und genaue Art des Musizierens erinnert dabei an die Malmanier eines Canaletto. Das Spiel der Musiker zeigt: man versteht etwas von Zwielicht und Zwischenfarben, von Muskelspiel und pathetischer Geste. Ein gelungener Abend. Peter Buske

Peter Buske

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