Kultur: Aufbegehren im Konjunktiv
Ratlose Beobachter heute im Waschhaus: Die Berliner Band Hund am Strand pendelt zwischen Uni und Bühne – und nahm zwischendurch ein Album auf
Stand:
Seit Ihrem Debüt „Adieu Sweet Bahnhof“ gelten Sie bei Fans und Kritikern als Hoffnungsträger des deutschen Indie-Rock. Wie lebt es sich als solcher?
FABIAN SCHWINGER: Es freut mich, dass unser Album gut aufgenommen wurde. Aber ich sehe uns jetzt nicht als Paradebeispiel für irgendeine Bewegung.
MARTIN THOMAS: Wenn man so hochgelobt wird, steht man unter Druck, bestimmte Erwartungen zu erfüllen. Im Moment denke ich darüber aber noch nicht viel nach.
Sie haben sich an der Uni kennen gelernt und umgehend die Band gegründet. Was gab Ihnen die Zuversicht, dass es miteinander klappen würde?
TINA MAMCZUR: Diese Zuversicht hatten wir anfangs gar nicht. Für uns war die Band zunächst ein Experiment.
SCHWINGER: Wir fanden uns nett, wollten einfach nur zusammen spielen und irgendwann auch mal auftreten. Aber dass es dann so gekommen ist, war nicht von vornherein geplant.
Uni und Musik – das lässt sich nur schwer vereinbaren. Was hat zur Zeit Priorität?
MAMCZUR: Wenn die Band nicht wäre, würden wir alle fleißig studieren. Aber durch Hund am Strand ist es ein bisschen schwierig. Wir versuchen, beides unter einen Hut zu bekommen. Das gelingt mal mehr, mal weniger. Zurzeit bin ich nur einmal pro Woche an der Uni.
SCHWINGER: Man guckt schon, wie die einzelnen Tage besetzt sind und plant dann seine Auftritte.
Hund am Strand werden oft mit Bands wie Blumfeld oder Tocotronic verglichen. Wie empfinden Sie solche Vergleiche?
MAMCZUR: Sie sind bestimmt nicht falsch. Blumfeld und Tocotronic höre ich auch privat. Es gibt schon gewisse Anknüpfungspunkte, aber wir unterscheiden uns mit Sicherheit.
SCHWINGER: Als wir bekannter wurden, war der Blumfeld-Vergleich schnell zur Hand. Dennoch liegen zwischen ihnen und uns Welten, insbesondere hinsichtlich der Einstellungen.
Inwiefern?
SCHWINGER: Wir haben ganz andere Biografien, sind jünger und wurden anders sozialisiert.
Herr Schwinger, Sie haben einmal gesagt, dass es Ihnen mit Ihrer Musik nicht um stimmliche oder musikalische Perfektion geht. Worum dann?
SCHWINGER: Die Frage ist natürlich, wie man musikalische Perfektion definiert. Für viele ist der Gipfel ein wunderbar ausgesponnenes Gitarren-Solo. Mir geht es jedoch darum, jemanden mit meiner Musik in eine bestimmte Stimmung zu versetzen, einen emotionalen Zustand zu transportieren.
In welcher Stimmung entstehen Ihre Songs?
SCHWINGER: Bei mir geht es am Besten, wenn ich im Stress bin. Dann kommen Ideen, die ich mit in den Proberaum nehme. Manchmal jammen wird dort auch einfach nur. Ohgott: Jammen ist eigentlich ein ganz schlimmes Wort
THOMAS (unterbricht): Sag doch lieber: Wir spielen drauf los. Und schwupps: Da entsteht ein Lied.
SCHWINGER: Es gibt Songs, die spontan entstehen, aber auch Kopfgeburten.
Veränderung und Befremden – das sind wiederkehrende Motive auf „Adieu Sweet Bahnhof“. Dabei stilisieren Sie sich als ratloser Beobachter.
SCHWINGER: Als ich die Texte schrieb, fand ich oft keine Antworten auf viele Fragen, insbesondere hinsichtlich des zwischenmenschlichen Zusammenlebens.
Manche Aussagen halten Sie allerdings auch bewusst vage. Die Single „Jungen Mädchen“ proklamiert beispielsweise den Aufbruch, das Aufbegehren. Sie singen: „Wir könnten ein Exempel statuieren.“ Der Konjunktiv legt allerdings nahe: Sie könnten es auch bleiben lassen.
SCHWINGER: Vieles von dem, was wir ansprechen, sind wohl eher jugendliche Träume. In der Realität lebt man aber in bestimmten Zusammenhängen, in denen man letztlich auf sich selbst zurückgeworfen wird und nicht voran kommt. Klar: Einen gewissen Grundpessimismus legt dieses Lied schon nahe.
Symptomatisch für die heutige Jugend?
MAMCZUR: Ich will mir gar nicht anmaßen, ein pauschales Urteil über die Jugend von heute abzugeben.
SCHWINGER: Und ich will niemanden bezichtigen, er würde sein Leben nicht aktiv genug gestalten. Jeder muss bei sich selbst anfangen. Ich habe selbst genügend Defizite. Deshalb steht es mir nicht zu, jemanden zu Entschlossenheit und Konsequenz aufzufordern.
Der Album-Titel „Adieu Sweet Bahnhof“ ist eine Referenz an Max Goldt. Warum?
MAMCZUR (lacht): Wir konnten uns lange nicht auf einen Titel einigen. Da kam uns dieser Comic in die Quere, von dem wir ihn dann übernommen haben.
Das Gespräch führte Nana Heymann
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