Kultur: Aufgesetzte Effekte
Das Trio Dolce Vita spielte Filmmusiken von Nino Rota im Foyer des Nikolaisaals
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Was hätte wohl Nino Rota gesagt, wenn er das Trio Dolce Vita am Donnerstag im Foyer des Nikolaisaals gehört hätte? Gespielt wurden ausschließlich Werke dieses italienischen Komponisten, der berühmt wurde mit Musik zu zahlreichen Filmen wie „Der Gepard“, „Romeo und Julia“ und zu allen Streifen des Avantgarde-Regisseurs Federico Fellini. Dass Nino Rota, der bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts als musikalisches Wunderkind Furore machte, auch Konzert-, Kirchen- und Kammermusik hinterlassen hat, ist bis heute weniger bekannt.
Ebenso wie Rota selbst trennte das Trio Dolce Vita nicht zwischen den Genres und nahm überwiegend Filmmusik, aber auch Klaviermusik zum Ausgangspunkt seiner Bearbeitungen. Die Musiker nähern sich den Stücken, darunter solche Ohrwürmer wie die Titelmelodien aus „Der Pate“ oder aus Fellinis „La Dolce Vita“, mit der Attitüde, unbedingt etwas Neues schaffen zu wollen. Zu entscheiden, ob dabei etwas Schönes entsteht oder ob der Stilwille in klingende Effekthascherei ausufert, ist letztlich eine Geschmacksfrage. Indessen ist es schon seit dem letzten Jahrhundert Sitte, altbekannte, klassische Musikstücke in neue Kleider von Jazz bis Rockmusik zu stecken. Das wirkte sogar mal revolutionär. Auch bei Dolce Vita folgt man dieser Methode, wenn auch mit einem anderen Ergebnis.
Die Musiker zerlegen die bittersüße, oft doppelbödige Musik von Nino Rota zunächst in ihre Einzelteile, spielen mit Kontrasten in Lautstärke, Phrasierung und Tempo. Wenn Jörg Brinkmann über die Cello-Saiten wie bei einer Gitarre schlägt, swingt es wie bei Django Reinhardt, dann wieder schälen sich leise, innig-süße Melodien heraus. Auf dem Bass legt Johannes Fink zurückhaltende, geradlinige Fundamente, kommt aber auch einmal mit einem ausgedehnten Free-Jazz-Solo zu seinem Recht. Im Zentrum steht das Spiel auf Klarinette und Bassklarinette von Claudio Puntin. Er bringt eine breite Klangpalette hervor, vom zarten Piano bis zur grellen Fanfare, Flatterzunge, knarzige und knackende Töne gehören ebenso dazu wie die exzessive Spielart der Klezmer-Klarinette. Was bei Nino Rota so leicht, melodisch, sentimental und bisweilen ironisch gebrochen klingt, entfällt da oft zugunsten einer künstlichen Dramatisierung, die um der aufgesetzten Effekte willen letztlich eine Tendenz zur Trivialisierung bekommt. Aber erlaubt ist, was gefällt. Den herzlich applaudierenden Zuhörern im Foyer gefiel offensichtlich diese ungewöhnliche Vorführung. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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