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Kultur: Aufgewühlte Gefühle und Theaterdonner Die Kammerakademie mit ihrem Mozart-Programm

Zum zweiten Weihnachtsfeiertag offerierte die Kammerakademie Potsdam ein reines Mozartkonzert. Wer aber in den ausverkauften Nikolaisaal gekommen war, um erbauliche oder gar muntere Töne zu hören, war am falschen Ort.

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Zum zweiten Weihnachtsfeiertag offerierte die Kammerakademie Potsdam ein reines Mozartkonzert. Wer aber in den ausverkauften Nikolaisaal gekommen war, um erbauliche oder gar muntere Töne zu hören, war am falschen Ort. Auf dem Plan standen aufgewühlte Gefühle und barocker Theaterdonner. Ohne Umschweife begann Sopranistin Alexandra Coku, die anstelle der erkrankten Carmela Remigio eingesprungen war, mit dem Rezitativ der Gräfin aus der „Hochzeit des Figaro“. Rasch steigert sich Alexandra Coku zur Sehnsuchts-Arie „Dove sono i bei momenti“ im Verein mit der Kammerakademie, die unter ihrem Chefdirigenten von Anfang an ein forsches Tempo vorgab.

Springlebendig, beinahe hastig zieht die Ouvertüre von „Don Giovanni“ vorüber. Warum so eilig, mochte man bei dieser Expressfahrt mit Pauken und Trompeten rufen. Sollte Don Giovanni so schnell wie möglich zum Verschwinden gebracht werden? Donna Elviras Rezitativ und die c-Moll-Arie „Mi tradi, quell’alma ingrata“ reflektieren den Erzverführer Don Giovanni mit allen Gefühlsfacetten, die er im Herz einer liebenden und verlassenen Frau ausgelöst hat. Alexandra Coku erweist dieser Bravourarie ausdrucksstark Reverenz, lässt die Affekte von Hass, Rache und Mitleid vibrierend explodieren. Dass das barocke Ausdrucksspektrum ihr eigentliches Reich ist, beweist die international gefragte Sopranistin mit der Arie der Elettra aus „Idomeneo“, Mozarts Meisterstück der Opera seria. Mit entfesselten Staccato-Tönen, glühenden Koloraturen bis zum hohen C hinauf verleiht sie der tödlichen Verzweiflung hochdramatische Gestalt.

Dass Mozarts Musik schon seinen Zeitgenossen manchmal zu stachelig und viel zu wenig anschmiegsam vorkam, wird heute oft vergessen. Nicht erst die Jupiter-Sinfonie KV 551 reicht aus, dieses Geschmacksurteil zu bestätigen. Mozarts letzte Sinfonie mit dem klangvollen Beinamen, der auf den Konzertunternehmer Johann Peter Salomon zurückgeht, gilt als komplexe Synthese barocker und klassischer Stilelemente. In der Interpretation der Kammerakademie Potsdam verströmt sie das Tempo und den Hochglanz von Filmmusik. Die in letzter Zeit so gern verwendete Mischung mit klassischen Streichinstrumenten und Originalklang-Bläsern setzt dem Tumult der Töne kantige Akzente auf. Stürmisch fahren die Naturhörner und Clarinos durchs Klangdickicht. Dem zweiten Satz Andante cantabile werden viel zu rasterhaft vordergründige Kontraste übergestülpt. Lockende Töne von Jan Böttcher auf der Oboe und Franziska Dallmann auf der Flöte leuchten im Menuetto hervor wie Kerzen im Dunkel, ein Spuk nur noch aus der Vergangenheit, das der Grazie entbehrt. Im atemberaubend anspruchsvollen vierten Satz kann bewundert werden, wie Mozart die Summe seiner Kompositionskünste von der Polyphonie bis zur Sonatenform komprimiert hat. Doch – bei aller technischen Versiertheit – wirkt er hier wie eine brillant exekutierte Orchesteretüde. Mit durchdringenden Bläserfanalen, martialischen Paukenschlägen und schroff eilenden Passagen wird kaum festliche Feuerwerksstimmung herbeigezaubert. Dennoch viel zustimmender Applaus zum Finale für ein ausgesprochen spezielles Mozart-Konzert.

Babette Kaiserkern

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