Kultur: „Aufopferungsfähigkeit und Grazie“
Regina Dieterle las aus ihrer Biografie über das Leben von Martha Fontane
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War Martha Fontanes Beruf, Tochter des großen Dichters Fontane zu sein? Diese Frage stellte sich bei der Lesung aus der Biografie „Die Tochter – Das Leben der Martha Fontane“ von Regina Dieterle im sehr gut besuchten „Internationalen Buch“.
Zur Einstimmung zitierten Regina Dieterle und Petra Kuhnau, Literaturwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin, Antworten von Martha Fontane, die sie 17-jährig auf Fragen eines Bogens zur „spielerischen Selbstcharakterisierung“ gab. Unter anderem wurde sie dort gefragt, was die bevorzugten Qualitäten von Frauen seien. Für Martha waren es „Treue und Demut“. „Ihre Vorlieben, Abneigungen und Lebenseinsichten charakterisieren Martha Fontane als eine espritvolle, gebildete und nicht ganz so anpassungswillige Frau, wie sie zu sein vorgab, außerdem als Vaters Tochter“, kommentiert Dieterle.
Martha Fontane, genannt Mete (1860 -1917) wird in Berlin geboren. Wie Dieterle schildert, fürchtet sich die Mutter Emilie vor der Geburt. Es ist bereits ihre sechste Entbindung. Die begabte Martha wird das Lieblingskind ihres Vaters Theodor. Gleichzeitig verfolgt den Vater eine latente Angst, Martha, „die wilde Range“, zu verlieren. Mit zehn Jahren wird Martha zum Englischlernen nach London geschickt, mit sechzehn beginnt sie eine Ausbildung als Lehrerin. Sie arbeitet auch in dem Beruf; bricht ihre Arbeit jedoch wieder ab. Sie wird bald Theodor Fontanes wichtigste literarische Gesprächspartnerin, wie zahlreiche Briefe an den Vater bezeugen. Dieterle beleuchtet in ihrem Buch (erschienen im Hanser Verlag) jede Lebensstation ausführlich, auch den Freitod Martha Fontanes 1917 im Alter von 57 Jahren. Die Autorin wählte die Passagen, die sie vorlas, sorgfältig aus. Zum Schluss zitierten Dieterle und Kuhnau erneut aus den Fragebögen, die Martha Fontane ein weiteres Mal mit dreißig Jahren ausfüllte. Auf die gleiche Frage, welches die bevorzugten Eigenschaften von Frauen seien, schreibt sie nun „Aufopferungsfähigkeit und Grazie. Esprit“.
In der Diskussion war es schwierig zu klären, welchen Beruf Martha Fontane hatte: ,ob ihr „Beruf“ einfach Tochter war, zumal sie ihre Lehrerinnentätigkeit abgebrochen hatte. Weitere Fragen aus dem Publikum bezogen sich unter anderem auf das Verhältnis zur Mutter. Dieterle bezeichnete sie als eine „verhangene Beziehung“.
Ursprünglich sollte die Biografie, so die Autorin, „Martha Fontane“ heißen. Schade, dass sich dieser Buchtitel nicht durchsetzte. Ein wenig unverständlich bleibt die Wahl des Titels „Die Tochter“, da dieser stets auf den Vater verweist und die Eigenständigkeit der „Vatertochter“ untergräbt.
Die Germanistin Regina Dieterle ist u.a. bekannt durch Recherchen zu Theodor Fontane, Gottfried Keller und Annemarie Schwarzenbach.
Neu aufgefundene Dokumente über Fontane veranlassten sie zum Schreiben ihrer „Tochter“-Biografie, darin verarbeitete sie zahlreiche bislang unbekannte Briefe zwischen Vater und Tochter. Alles in allem eine sehr gelungene Veranstaltung des Theodor-Fontane-Archivs Potsdam in Kooperation mit dem „Internationalen Buch“. Annegret Dahm
Annegret Dahm
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