Kultur: Aufrecht und poetisch
Barbara Thalheim: „Vorsicht Frau“
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„Ich atme die Welt ein und als Lied wieder aus“ – treffender lässt sich das Schaffen von Barbara Thalheim wohl kaum beschreiben. Seit dreißig Jahren steht die Liedermacherin auf der Bühne, eine Grenzgängerin zwischen den Systemen, auf der Suche nach dem „Patent fürs Paradies“ und nach der Erlösung in den drei Minuten Poesie, die ein Chanson meistens dauert.
Zum Internationalen Frauentag gastierte Barbara Thalheim erstmals im Nikolaisaal. Ihr Programm mit dem kecken Titel „Vorsicht Frau“ präsentierte einen Querschnitt ihrer Lieder von den Anfängen bis heute. Begleitet wurde sie von Jean Pacalet am Akkordeon, jenem Instrument das ihr verhasst war, weil es sie an Wanderer auf dem Rennsteig erinnerte. Doch Pacalet konnte es mit ihr aufnehmen. Er ist nicht nur ein begnadeter Musiker und Komponist, sondern er hasste, wie sie anekdotenreich erzählt, weibliche Chansonsänger. Doch aus der gegenseitigen Ablehnung bildete sich schnell eine fruchtbare, künstlerische Zusammenarbeit, die schon mehr als ein Dutzend Jahre anhält.
In den neunziger Jahren wollte Barbarei Thalheim einmal aufhören, gab sogar eine Abschiedstournee und fing doch wieder an zu singen und zu schreiben. Heute wirkt sie besser denn je: Klarsichtiger, klüger und immer noch kraftvoll. Fulminant und widerborstig singt sie vom Älterwerden, das auch von den Irrtümern des Herzens und der Sehnsucht nicht schützt. Heinrich Heine ist ihr zweifellos ein Bruder im Geist, spielerisch überträgt Thalheim sein Lied „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ ins „frostige Heute“ und gibt ihm einen neuen Sinn: Was fehlt, ist der Neubeginn.
Thalheims offene Neugier auf die Welt lässt sie immer wieder Neues erleben, nicht nur Schönes, aber Bedenkenswertes auf alle Fälle, wie zuletzt in Afrika. Das Gespräch mit einer jungen schwarzen Frau aus Senegal inspirierte Thalheim zu einem Lied mit einem scharfsichtigen Text über unsere Lebenszustände aus außereuropäischer Sicht.
Thalheims Anliegen verschmelzen zu der einen großen Frage: „Was fang ich mit mir an?“, eine Frage die, zumal für Menschen in der heutigen westlichen Welt, nicht so einfach zu beantworten ist. Für sich selber hat die Sängerin mit den wilden Locken das schon längst getan. In Edith Piaf hat Barbara Thalheim eine Schwester im Geist gefunden, wenn sie singt: „Mensch Edith, wir können doch nur singen, was wir leben.“
Als Sängerin und Erzählerin steht Barbara Thalheim für Aufrichtigkeit und Poesie. Ihren Zuhörern macht sie es nicht leicht, denn sie gaukelt keine heilen Traumwelten vor, sondern sie reibt ihre alten Ideale an der Realität. Da geht es auch mal rau, heftig und aufrührerisch zu. Doch der Spagat gelingt Barbara Thalheim immer wieder – nicht zuletzt dank der kongenialen Begleitung auf dem Akkordeon von Jean Pacalet. Die beiden ergänzen einander nun wirklich „traumhaft“. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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